Der gute Mensch von Sezuan


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Besuch bei den Erdlingen

"Warten Sie auch schon so lange?" fragt Wang (Lutz Salzmann) der Wasserverkäufer das Publikum im Schauspielhaus. Er wartet vor dem roten Bühnenvorhang auf die Götter. Die Zuschauer auf den Beginn der Vorstellung. Die Erleuchteten sollen kommen. Sie haben den Auftrag gute Menschen auf der Erde zu finden, um über ihr weiteres Schicksal zu befinden. Wangs Geduld wird belohnt: Die drei Götter erscheinen in überlebensgroßer Videoprojektion. Mit minimaler Mimik und null Gestik: Andre Jung, Jörg Ostendorf und Jean-Pierre Cornu, alles Zuschauerlieblinge aus der Ära Baumbacher, setzen Maßstäbe für hohe Schauspielkunst. Ihre Expedition zu den Erdlingen soll die Frage beantworten, ob in dieser Welt die guten Menschen noch überleben können.

Sind die Gebote der Götter noch zeitgemäß in dieser Gesellschaft? Bewirkt das System nicht automatisch die Ausbildung von Habgier, Eigennutz, und unmoralischem Handeln? Muss der Gute ein Schlechter werden um Erfolg zu haben um nicht ausgenutzt zu werden? Um diese höchst aktuellen Fragen geht in dem altbekannten Brechtklassiker "Der gute Mensch von Sezuan".

Dieser gute Mensch in der Stadt Sezuan ist die Ex-Prostituierte Shan-Te. Als sie zur Ladenbesitzerin aufsteigt, wird sie so von Habenichtsen umlagert, dass sie ihr Geschäft kaum am Leben erhalten kann. Sie erfindet ihren hartherzigen Vetter Shiu-Ta, der anreist und hart durchgreift um Shan-Te von den Schmarotzern zu befreien. In dieser Doppelrolle glänzt Marion Breckwoldt. Sie verleiht der Hauptfigur mit viel Gefühl eine Persönlichkeit, die das Interesse an ihrem Schicksal über weite Strecken der Inszenierung trägt. Zu Highlights des Abends werden auch alle Auftritte der drei Götter per Großleinwand.

Das Bühnenbild mag mit seiner unharmonischen Anordnung einer kleinen Hütte als Tabakladen, einem Plexiglasklotz als Wohnung und einer metallenen Hochhausetage auf der Drehbühne ein Abbild für die Gleichzeitigkeit von Alt und Neu, von Arm und Reich in einer chinesischen Großstadt wie Shanghai oder Peking gelten. Zugleich könnte es ein Sinnbild für das Durchwursteln der Menschen sein. Regisseur Christian Pade zeigt das Nebeneinander von Geschichten, Erzählsträngen und Ideen. Er gibt ihm den Vorzug vor der Verfolgung einer klaren Linie in seinem Regiekonzept. Dass dabei die Beantwortung der Kernfragen des Stückes zunehmend in den Hintergrund rückt, scheint er billigend in Kauf genommen zu haben.

Birgit Schmalmack vom 22.10.07