Präsidentinnen


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Kritik
von
Abendblatt
Welt
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Kleingeistige Herrscherinnen

Die "Präsidentinnen" herrschen nur über ihr kleines Reich der Sitzecke in Ernas Küche. Hier unter dem Fernseher, der eine Rede des Papstes ausstrahlt, treffen sich die drei Frauen, um sich gegenseitig ihre strikten Glaubenssätze kund zu tun. Die heimische Küche ist ihr Revier und ihr zugleich ihr Kampfplatz. Denn noch ist nicht klar, wer in dieser kleinen Welt das Sagen hat. Erna (Victoria Trauttmannsdorff), die streng gläubige, geizige und verbitterte Mutter mit der Krone aus Haarklemmen, deren Lieblingsklagen sich um ihren missratenen Sohn Hermann ranken: Ein Alkoholiker, der sich dem "Verkehr" mit Frauen verweigert und damit die Hoffnung auf Enkelkinder seiner Mutter zunichte macht. Die sinnenfrohe Grete (Verena Reichardt), die allen leiblichen Genüssen sehr offen gegenüber steht und sich gerne ihre erotischen Attraktivität bestätigen lassen würde, aber ihren Dackel Lydia im Zweifelsfall allen Menschen vorzieht. Oder Mariedl (Leila Abdullah), die für ihren Herrn Jesus und den Herrn Pfarrer in gläubigem Eifer auf himmlische Entlohnung die verstopften Aborte der Stadt reinigt, und als reine Seele dazu keinerlei Gummihandschuhe als Schutz vor Dreck bedarf.

Im Gegensatz zu der Inszenierung des Schwab-Stückes von Barbara Neureiter auf Kampnagel setzt Isabel Osthues ihren Schwerpunkt auf die Sprache. Sie lässt drei wunderbare Schauspielerinnen den Text in all seiner Kunstfertigkeit, Sprachverliebtheit und Boshaftigkeit zelebrieren. Sie verzichtet fast ganz auf konkrete Visualisierungen, sondern lässt die Schärfe des Textes für sich sprechen und die ganze Scheinheiligkeit der drei Frauen entlarven. Ein Gewinn für das Stück, das so seine wahren Qualitäten offenbart. Die Gier der Frauen nach Lustgewinn muss sich die Erfüllung durch die "ungesunden Sünden" versagen und Ersatzbefriedigungen suchen: das Aufschwingen zum Wächter über Gut und Böse, das Wühlen in dem "Stuhl" der Menschen, den Stolz auf die übergroße Sparsamkeit oder schließlich das Beseitigen unliebsamer Zeitgenossen. Ein interessantes Kammerspiel, das den Schrecken vor kleingeistigen scheinheiligen Zeitgenossen lehrt.

Birgit Schmalmack vom 4.5.07