Blau


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Labile Schicksalsgemeinschaften

Die zartgliedrige, blonde Danny (Stephanie Stremler) rollt langsam die hellgrüne, schräge Rampe herunter und schlägt auf dem Boden des Malersaales hart auf. Die aufsteigende Spielfläche ist genau so wie die Seiten- und Rückwand mit schmuddeligen Teppichfliesen ausgelegt. Wenn Joe (Fabian Gerhardt) eine Zigarette ausdrücken will, pult er einfach eine Ecke hoch und lässt die Kippe verschwinden. Das satte, strahlende "Blau" des Atlantiks ist hier nirgendwo zu sehen. Eher wirkt der Untergrund wie eine schallschluckende Zelle oder ein schäbiger Club.

In einem Nest an der irischen Küste verbringen die drei Siebzehnjährigen, Danny, Des und Joe, ihre Jugend. Gleichförmig ziehen die Tage und Wochen dahin. Auch die bevorstehenden Abschlussprüfungen geben kaum Anlass zu großen Hoffnungen auf positive Veränderungen. Des, die aufgrund ihrer Neigung zu epileptischen Anfällen stets als Opfer für Hänseleien ausgesucht wird, hat sich an die Freunde Danny (Fabian Gerhardt) und Joe gehängt. Letzterer duldet sie nur, weil er seine Freundschaft mit Danny nicht gefährden will. So hängen sie zusammen nach der Schule an den Klippen ab, fahren am Freitag in die nächstgrößere Stadt in den Club, gucken am Samstag Video und spielen am Sonntag Playstation. Als Joe einen Drogendeal angeboten bekommt, wittert er eine Chance auf Abenteuer und Geld. Er schafft es schließlich seine Freunde zum Mitmachen zu überreden. Doch das Ganze ist eine Nummer zu groß für die Jugendlichen, die in ihren braunen Schuluniformen zur Übergabe der Ware gehen. Danny kostet es das Leben; ein durch den Schrecken ausgelöster Anfall lässt sie herabstürzen. Der Ausflug in eine abenteuerlichere Version des Lebens ist gescheitert.

Danny erscheint in der Interpretation von Stremler als ein naives, blasses und hilfloses Mädchen, das stets zu kurz gekommen ist. Des und Joe wollen dagegen jeder auf seine Art handfeste Kerle darstellen, wobei der eine durch Arbeiten eine biedere Zufriedenheit erlangen will und der andere gerne die aufregendere Abkürzung nehmen möchte. Während die Jungenrollen von Anfang an stimmig und schlüssig erscheinen, muss man sich jedoch in die Darstellung der Danny einsehen und -denken.

Unter der Regie von Carlos Manuel ist mit aber sehr ausdrucksstark zum Leben erwacht. Der Text von Ursula Rani Sarma lotet in kurzen Szenen die Unsicherheiten und Lebensvorstellungen von Jugendlichen aus. Vorübergehende Schicksalsgemeinschaften, die aus Mangel von Alternativen zustande gekommen sind, sollen den fast Erwachsenen die fehlende Bestätigung und Anerkennung geben. Regisseur Carlos Manuel lässt wie schon in seiner Arbeit "Fluchtpunkt" seinen drei Schauspielern viel Raum zur individuellen Gestaltung. Mit unspektakulären Erzählmitteln gibt er ihnen die Möglichkeit zu ausdrucksstarkem Charakter und Persönlichkeit. Das vorwiegend junge Publikum belohnte die Leistungen mit starkem Beifall.

Birgit Schmalmack vom 23.12.04