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Liebesgeschichte auf nordfriesisch

Dunkel und nass ist es in Nordfriesland. Regen fällt von oben. Starke Winde tosen. Wasser umspült die Füße. Ein ungemütlicher Ort, den auch die Menschen, die dort wohnen, nicht wärmer machen. Sie beschränken ihre Kommunikation auf das Notwendigste. Wortkarg sind sie und über Gefühle reden sie möglichst wenig. Die Entwicklung einer Liebesgeschichte auf nordfriesisch findet somit unter erschwerten Bedingungen statt. So wie die von Hauke Haien (Ole Lagerpusch) und Elke Volkerts (Paula Dombrowski).

Aber sie haben Gemeinsames: Beide sind sie anders als die übrigen Dorfbewohner. Beide gelten als kluge Köpfe. Hauke will hoch hinaus: Er möchte der nächste Deichgraf werden, weil ihn die neuen Deichbautechniken faszinieren. Doch das geht nur mit Grundbesitz. Elke kann ihm das ermöglichen. Schließlich ist sie die Tochter des jetzigen Deichgrafen (Helmuth Mooshammer). Doch vorher heißt es Geduld zu haben. Als der Vater stirbt, vermacht Elke Hauke ihr Erbe, heiratet ihn und als Grundbesitzer kann er endlich den begehrten Posten bekommen.

Hauke widmet sich nun mit vollem Elan der Technik. Er arbeitet Tag und Nacht. Für den Aufbau einer Gemeinschaft mit den Dorfbewohnern bleibt keine Energie. Das erweist sich als schwerwiegender Fehler. Schließlich ist sein neuer Deich endlich fertig gestellt, doch er hält der kurz darauf eintreffenden Sturmflut nicht stand. Nicht etwa weil Haukes Berechnungen falsch waren, sondern weil die Bewohner nicht an ihn glauben und ihn aushöhlen. Haukes Familie ertrinkt in den Fluten und er stürzt sich hinterher.

Jorinde Dröse hat eine karge Umsetzung gefunden, die gerade deswegen die Kernpunkte der Stormschen Novelle klar seziert. Eindeutige Sympathieträger bietet sie dem Publikum nicht an. Die Charaktere werden ungeschönt und zwiespältig dargestellt. Ist Hauke eitler Technikverliebter, der ohne Rücksicht auf menschliche Verluste seine Vorstellungen durchsetzen will? Oder ist er der einzig weit blickende Kluge unter den tumben Dörflern? Sind die Dorfbewohner nur träge und beschränkt in ihrem Denken oder sehen sie in dem Fortschrittswahn der Menschen zu Recht dessen baldigen Untergang? Ist Elke die kluge, treue Frau oder hat sie sich nur in das Bild eines Emporkömmlings verliebt? Das Skript von John Düffel hat neben zugespitzten Szenen auch Erzählelemente in ihrer ursprünglichen Form aufgenommen. Die hervorragenden Schauspieler wissen auch aus den wenigen Textzeilen aussagekräftige Dialoge werden zu lassen. Eine gekonnte Inszenierung einer für die Bühne ziemlich sperrigen Vorlage.

Birgit Schmalmack vom 8.1.08