Mittwinter


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von
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Brüchige Basis

Eine Frau (Monique Schwitter) schleift stöhnend ein totes Pferd auf die kahle Betonbühne des Malersaals. Tief in die Stirn gezogen ist die Kapuze ihres fleckigen Parkas. Als sie in der Ecke angekommen ist, verschanzt sie sich verängstigt hinter dem unter einer Plastikplane verborgenen Tier. Es ist mitten im Krieg. Ein totes Pferd ist eine Nahrungsquelle, die sie verteidigen müssen wird. Schon kommt der erste Bedürftige um die Ecke: ein Großvater (Martin Pawlowsky) mit seinem halb verhungerten Enkel auf dem Arm. Da die Frau während des Krieges ihr eigenes Kind verloren hat, geht sie mit dem alten Mann einen Handel ein: das Kind gegen die Ernährung durch das Pferd.

Dann ist der Krieg aus. Der Ehemann (Daniel Wahl) der Frau kehrt als gebrochener und kranker Mann zurück. Er findet ein Kind vor, von dem er annimmt, es sei sein eigenes. Ein Lügenspiel beginnt, als der Großvater den Kontakt zu seinem Enkel wieder aufnehmen möchte. Doch die Frau wird alles tun, um ihren kleinen Raum der vermeintlichen Harmonie zu verteidigen und wird dabei zu Mitteln greifen, die sie der Krieg gelehrt hat.

Wie der Krieg auch in die Friedenszeiten hinein die Menschen verändert, ihr Handeln und Denken steuert und beeinflusst, zeigt "Mittwinter" der jungen englischen Autorin Zinnie Harris. In der Regie von Florentine Klepper konzentriert sich das Spiel in seiner kargen Sprache auf wenige Sätze, schlaglichtartige Szenen und ausdruckstarke Schauspieler. Das kluge Bühnenbild von Chalune Seiberth rundet das Konzept ab: die Pressholzplatten, mit denen der Bühnenboden verkleidet ist, brechen unvermutet unter den Tritten der Personen ein. Immer sinken sie ein und machen den blutroten Untergrund sichtbar. Jede Basis hat der Krieg brüchig werden lassen.

Birgit Schmalmack vom 10.7.07