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Hausprobe

In einer Kleinstadt in Kentucky haben sich fünf Außenseiter zusammengefunden: Luster (Johannes Nelsen), ein wortgewandter Hobby-Philosoph und verhinderter Weltverbesserer, Aurora (Martina Hesse), eine wunderschöne im Rollstuhl sitzende Satanistin, Ember (Susanne Martin), ein frühreifes 8jähriges Mädchen, das die Welt hasst und zerstören will, Ray (Jan Exner), ein junger irakischer Ex-Soldat auf der Suche nach dem Amerikaner, den er im Golfkrieg verwundet hat und Opal, eine 80jährige in goldenen Leggings und pinkfarbenen Stirnband in der blonden Lockenperücke, die behauptet: "Ich trinke, ich rauche, ich lass mich flachlegen und ich lebe, verdammt."

Sie alle haben eines gemeinsam: Sie weichen ab vom Gewöhnlichen, vom Genormten. Wo immer sie auftauchen, werden sie ausgelacht. Aber sie wissen sich zu helfen: Sie gründen eine Band - "The Freaks". Eine Popgroteske. Ein wütendes kulturkritisches Manifest. Das Theater in concert M21 aus Hildesheim/Göttingen macht aus Joey Goebels erstem Roman "Freaks" ein subversives, unterhaltsames Bandprojekt für vier Schauspieler - an einem Ort, für den es wie gemacht zu sein scheint - im düsteren, engen, schwarz gekachelten Club des Kulturhauses 73.

Zuvor konnte man einem besonderen Ereignis im Saal beiwohnen: Gabriele Reuter, eine Tänzerin und Pantomimin aus London/Berlin, zeigte in einer Voraufführung ihr neues Stück "Inventur". Sie schlägt in ihrer Performance die Brücke zwischen Tanz und Text. Sie führt den Zuschauer auf der völlig leeren Bühne durch verschiedene Tanzräume, die sie wahlweise mit Bewegung oder Sprache füllen kann. Sie erklärt, wo sich die unsichtbaren Türen befinden, hinter der sich die Inspiration für ein neues Stück verstecken könnte. Sie weist auf den kleinen Raum hin, in dem Platz für persönliche Statements sei. Sie zeigt den großen Platz in der Mitte, der für die weit ausladenden Tanzszenen reserviert ist. Sie erklärt, warum sie sich an einer Stelle der Bühne nur kriechend fortbewegen kann und an einer anderen stets ins Stolpern gerät. Reuter erlaubt auf äußerst charmante Art einen Einblick in die Entstehung eines Tanzstücks. Unprätentiös und selbstironisch ermöglicht sie so einen neuen, spannenden Zugang zur ansonsten sprachlosen Kunst des Tanzes.

Birgit Schmalmack vom 12.7.08