Dreckige Geschichten



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Kultur als Lebenshilfe

Eine alte Badewanne steht in der Mitte der Bühne. Ringsherum liegen hunderte von leeren Bierdosen. Ein Mann schlurft herein. Dreckige Arbeitsklamotten hat er an. Eine Plastiktüte trägt er bei sich. Müde bewegt er sich zur Badewanne, streift sich die schmutzigen Sachen vom Leib und steigt in die Wanne. Aus ihr wird er den ganzen Abend nicht wieder aussteigen. Die Bierdosen aus der Plastiktüte leerend und etliche Zigaretten qualmend, vertreibt er sich seinen Abend mit der äußeren und inneren Reinigung.

Nichts hat er mehr: Keine Arbeit, kein Geld, keine Frau. Er kotzt seinen Unmut über die Welt, wie er sie aus seiner Perspektive erlebt, aus. Charles Bukowskis "Dreckige Geschichten" geben ihm dafür die passende Sprache. Der Mann, der ansonsten eher einen Riesen Bogen um Kulturgüter machen würde, findet hier sein Ausdrucksmittel. Zum Schluss wankt er völlig betrunken, zufrieden und mit einem seligen Lächeln in Badetücher gehüllt von der Bühne.

Anrührend versteht der Wiener Andreas Ceska in seinem Gastspiel im Sprechwerk diesem Mann, der sich selbst einen depperten Trottel nennt, ein sympathisches Gesicht zu geben. Er schafft, dass dieser obszöne, schreiende Prolet in den Augen der Zuschauer zu einem Loser mit durchaus liebenwerten Zügen wird. Auf diese Weise kann Kultur sogar zur Lebenshilfe werden: Für diesen prolligen Ganterich und für den Zuschauer, der ein paar seiner lieb gewordenen Vorurteile überdenken muss.

Birgit Schmalmack vom 1.4.08