`Ungewohnte Blickwinkel`

Der 15. Oktober ist ein ungewöhnliches Geburtsdatum für eine Blume. Nicht im Frühling streckt dieses besondere Exemplar ihre Fühler aus sondern im Herbst. Damit nicht genug ihrer Andersartigkeit: Sie wächst mit ihren Wurzeln in dem Himmel und zeigt ihre Blütenblätter nur unter der Erdoberfläche.

So will der Choreograph Carlos Jaramillo mit seiner Triknia Dance Company die Zuschauer animieren, die Welt einmal von der anderen Seite aus zu betrachten. Vielleicht ist nicht die Blume verkehrt sondern ihre Betrachter? Zusätzlich deutlich machen möchte er das mit einem anderen ungewohnten Mittel auf der Bühne: Während es sonst bei sichtbehinderten Plätzen einen Preisnachlass im Theater gibt, nutzt Jaramillo dieses Mittel hier ganz bewusst. Er begrenzt unseren Ausschnitt so, wie wir selten die ganze Wahrheit vor Augen haben. Ein weiterer Bühnenvorhang lässt als Sichtblende stets eine bestimmte Sichthöhe bedeckt. So werden einmal nur die Körper der Tänzerinnen sichtbar, ein anderes Mal ihre Beine oder ihre Köpfe. Zudem lassen verschiebbare Paravents die Tänzerinnen zwar hörbar bleiben, aber öfter für kurze Momente aus dem Blickfeld verschwinden. Interessante Bilder findet Jaramirro so dafür, dass wir die Wirklichkeit immer nur von unserem Standpunkt aus und fast nie im Ganzen sehen.

Die höchst professionellen Leistungen der Tänzerinnen beeindrucken. An dem Schnitt, der Tonqualität der Musikeinspielungen und den Übergängen zwischen den Sequenzen dürfte bei diesem "work in progress", wie der Choreograph sein Werk sieht, dagegen ruhig noch etwas gefeilt werden. Doch das schmälerte die Wirkung der Choreographie nicht; sie schaffte es, die Zuschauer die Welt für kurze Zeit einmal aus einer anderen Perspektive betrachten zu lassen.

Birgit Schmalmack vom 28.12.07