Dreileben


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Das Ende mitdenken

Ein Seufzen, ein Hauchen, ein Lachen, ein Husten, ein Rauchen, ein Kratzen. Alltagsgeräusche bilden den Soundteppich für die Begegnung dreier junger Leute mit dem Thema Sterben. "Du hast noch 60 Jahre, bis du so alt bist wie ich", meint einer der drei Gesprächspartner zu seiner Interviewerin, die ihn jetzt auf der Bühne vertritt. Der 96-jährige Herr Walter ist einer der drei Sterbenden, die den drei Schauspielern zum Thema Tod und Sterben Rede und Antwort standen.

Es stellte sich heraus, dass das Thema Leben in den Gesprächen eine noch größere Rolle spielen wird. Herr Walter lebte 65 Jahre gemeinsam mit seiner geliebten Ehefrau ein an Arbeit, Geld und Erlebnissen reiches Leben. Gemeinsam wollten sie es auch beenden. Sie wurden wider Willen gerettet.

Die krebskranke Helga vom Kiez hat für die Schauspielerin einen guten Tipp auf Lager: Verlass dich nicht auf die Männer! Nach drei misslungenen Ehen weiß sie, wovon sie redet. Die 47-Jährige Petra ist trotz Krebserkrankung glücklicher als ihr Interviewer. "Warum ist das so", fragt er sich. Weil sie das Glück hatte, auf ihre große Liebe, den um 24 Jahre älteren Klaus zu treffen?

Gernot Grünewald zeigt in den übergroßen verschiebbaren Diarahmen in der K1 keine Bilder von Tod, Altern und Sterben. Stattdessen rahmen sie die Gesichter und Bewegungen der jungen Schauspieler, die die Geschichten der Sterbenden erzählen. Grelles Neonlicht, das gnadenlos die Fakten offenlegt, wechselt mit Überblendungen der Projektionen. Immer wenn sie für kurze Zeit aus der Geschichte aussteigen und von ihren eigenen Gedanken und Emotionen zum Thema berichten, wird der Abend intensiv: Wie stell ich mir den Tod vor? Wovor habe ich Angst? Was kennzeichnet das Alter?

Grünewald will die Lebensgeschichten ganz für sich sprechen lassen. Ein Bassist, eine Webcam und ein Sampler sind die einzigen weiteren Zutaten auf der Bühne. Sehr schlicht kommt seine Diplominszenierung daher. Damit zeigt er, dass er auch ganz anders kann als in seinem letzten vielgleisigen und -schichtigen Projekt auf Kampnagel "wund.es.heim innen/nacht". Doch während ihm hier ein "Zuviel" an Regiemitteln vorgehalten wurde, wäre bei dieser Arbeit ein "Zuwenig" angebracht. Die Intensität einer früheren in der Fleetstreet "Täter - ein Versuch über Schuld" erreicht Grünewald hier leider nicht.

Birgit Schmalmack vom 7.2.11