Atmen


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Die Kunst des Scheiterns

Wo ist sie nur falsch abgebogen? Sie hat doch alles richtig gemacht: Abi mit 16 Jahren, ein soziales Jahr in Irland, eine Selbstfindungsreise nach Indien und nun Studium des Kulturmanagements in Berlin. Jenny ist ratlos. Ihr Leben scheint ihr unter den Fingern hindurch zu rinnen. Wie das Atmen läuft es ohne ihr Zutun ab, nie fühlt sie sich ganz bei sich. Ein neues Kunstprojekt soll jetzt die Wende bringen: "Death in progress, die Zukunft der Friedhöfe". So abseitig, dass sie das Geld sofort bewilligt bekommt. Doch nichts läuft wie geplant: Ihr Künstlerfreund Markus nutzt sie nur für sein "Love-Manipulations-Projekt" aus, das erste Interview-Ehepaar ignoriert konsequent ihre Fragen zum Tod und plappert lieber über ihr alltägliches Leben.

Jenny zieht die Konsequenzen: statt über die Friedhöfe macht sie jetzt ein Projekt über ihr Scheitern; denn: "Das bin ich und mehr Kunst als mein Scheitern habe ich nicht."

Nino Haratischwili ist mit ihrem neuen Stück "Atmen" eine pralle, lebensnahe Geschichte über den Kunstbetrieb, Lebenssehnsüchte und die wechselseitigen Verflechtungen gelungen. Nina Pichler hat es wunderbar zupackend im Monsun Theater inszeniert. Es lebt von der tollen Hauptdarstellerin Vanessa Czapla, die von selbstverliebter Kunstschickse über schüchterne Verliebte bis zur müden Anlehnungsbedürftigen alle Varianten der suchenden Jenny beherrscht. Solveig Krebs und Mirko Thiele sind zwei herrlich verschrobene Eheleute mit dem Herz am rechten Fleck. Georg Bütow spielt den egoistischen Macho gekonnt aus. Ein tolles Stück, das locker an den Erfolg seines Vorgängerstückes "Die zweite Frau" anknüpfen kann.

Birgit Schmalmack vom 11.11.10