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Mark the Market

Die mitten auf der leeren Bühne montierte hochlaufende LED-Anzeige wird zur Peepshow-Tanzstange der kapitalistischen Erregung um die Börsenkurse. Wenn der Enron-Geschäftsführer Jeffrey Skilling schwitzend seine Kurse umkreist, werden die zuvor noch interessanten Kapulationsbemühungen mit seiner Kollegin (Marlène Meyer-Dunker) überflüssig. "Mark the Market", sein neues innovatives Geschäftskonzept hat das amerikanische Energieunternehmen zu einem rein virtuellen Geschäft werden lassen.

Wir sind die Zukunft Amerikas, so tönte er bei allen sich bietenden Marketing-Gelegenheiten. Seine Konkurrentin um den Chefposten, die lieber tatsächliche Energiefabriken in Indien bauen wollte, geriet dabei ins Hintertreffen. Zunächst gab ihm der Erfolg Recht: Die Kurse kletterten immer weiter in die Höhe. Dass die Gewinne dabei ausblieben, interessierte in der virtuellen Welt der Börse zunächst niemanden. Erst als ein Wirtschaftsmagazin dem Skandal auf die Schliche kam, war der Absturz ins Bodenlose vorprogrammiert.

An den Hamburger Kammerspielen hat das Stück der jungen britischen Autorin Lucy Prebble nun seine deutsche Aufführung. Regisseur Ralph Bridle lässt die Ungeheuer der Börse als leibhaftige Ungetiere mit Drachenmäulern auftreten. Sie wollen von Finanzchef Andy Fastow (Martin Semmelrogge) gefüttert werden, sondern werden sie zu wilden Bestien, die nur mit seiner Peitsche in Zaum gehalten werden können. Diese allzu direkte Übertragung hätte fehlen können. So bleiben keine Fragen mehr offen. Gut und Böse sind so klar verteilt, dass die Spannung gering bleibt. Einzig Niki Tempelhoff als Enronchef ist es zu verdanken, dass in ihm nicht nur das berechnende Ekelpaket sondern auch der um Anerkennung ringende Außenseiter zu erkennen ist.

Birgit Schmalmack vom 9.5.11