Messer in Hennen


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Sprache ist Erkenntnis

Ein Baum ist ein Baum, eine Wolke ist eine Wolke, ein Mann ist ein Mann und eine Frau ist eine Frau. So klar strukturiert ist die Welt der Ehefrau des Pflügers, bevor sie den Müller kennen lernt. Dieser ist ein Außenseiter im Dorf, denn er kann lesen und schreiben. Im Dorf gelten diese Errungenschaften als Teufelszeug, von denen man besser die Finger lässt. Durch diesen Mann erkennt die junge Frau, dass die Worte wichtig sind für die das Verstehen der Welt. Man braucht nicht nur Begriffe für die sichtbaren, essbaren und benutzbaren Dinge, sondern auch für die Sachen in den Köpfen der Menschen. Sie erkennt, dass sie mit den Wörtern bis in ihren Kern stechen kann wie mit einem Messer in eine Henne.

David Harrowers Stück "Messer in Hennen" erzählt von der Gefahr und dem Gewinn der Erkenntnis. Die Neugierde der Frau ist geweckt. Ihr Mann steht ihrem Erkenntnisdrang dabei im Weg. Also muss er sterben. Doch auch die Neugierde des Müllers ist noch lange nicht gestillt. Er zieht weiter in die Stadt. Er hofft, dass er dort kein Außenseiter mehr sein wird, weil in einer Stadt lauter Dorfflüchtlinge leben.

Das Landestheater Altenburg zeigte eine ausgereifte, kluge Inszenierung im Kulturhaus 73. Regisseur Alexander Flache beschränkt sich auf eine strenge Bildsprache: Erde, Mehl, Brot, Stein und Papier bestimmen seine erdverbundene Arbeit. Die braunen Kleider der Bauern und die weiße Kleidung des Müllers sind ebenso einfach und klar geschnitten. Die projizierten Landschaftsaufnahmen und die eindringliche Streichermusik setzen Stimmungsmomente an entscheidenden Stellen.

Ein herausragendes Gastspiel auf dem Kaltstart-Festival, dessen eindringliche Bilder und Gedanken lange nachwirken.

Birgit Schmalmack vom 17.7.08