4.48 Psychose


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Schrei nach Liebe

Ein kleiner Holzschrank ist der Raum, in den sich die Frau verkrochen hat. Ihr Kontakt zur Umwelt beschränkt sich auf die Gespräche - meist unfreiwilliger Art - mit ihren Ärzten in einer psychiatrischen Klinik. Sie sei krank, diagnostizieren sie. Sie müsse den Riss in ihrer Schlüssel kleben lassen. Doch sie sieht sich nicht als krank, sondern als bloß an ihrem Leben leidend an. Kann es angehen, dass ein Mensch im falschen Körper geboren wird, fragt sie sich. Sie will lieben. Doch das Gegenüber dafür fehlt. Vielleicht sei sie dazu bestimmt, das Fehlende zu lieben?

Zum Schluss entriegelt sie die Türen des Schranks und steigt aus ihrem Gefängnis aus. Erst nachdem sie die Schwelle vom Leben zum Tod überschritten hat, ist sie frei um ihren eng begrenzten Lebensraum zu erweitern.

Eindrücklich beklemmend intensiv hat Marike Moiteaux den Text von Sarah Kane inszeniert. Keine Licht- und Tonregie gibt es hier. Alles macht die Schauspielerin Monika Hölzl selbst. So wie sie den Verstand am liebsten ausknipsen möchte, so knipst das Licht selbst am Schalter ihrer Schranklampe an und aus. Sie drückt selbst auf den Kasettenrekorder, wenn sie Musik benötigt. Über und über ist Hölzls zerkratzter Körper mit Wörtern beschrieben. Ein gutes Bild dafür, dass Sarah Kane ihren Schmerz mit Worten der Welt durch ihre Texte mitzuteilen versuchte. Intensiv zeigt Hölzl die schutzlose, in sich verkrochene Frau, die dennoch versucht ihre Sehnsucht nach einem Gegenüber herauszuschreien.

Birgit Schmalmack vom 18.7.08