Die Leiden des jungen Werther



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Liebe ist doch das Höchste

Drei junge Leute in Jeans und T-Shirt sitzen in der ersten Reihe. Als das Licht ausgeht, stehen sie auf und gehen auf die Bühne. Am hinteren Rand liegen drei Kleiderhaufen, mit deren Hilfe sie sich verwandeln. Dann stehen sie da und stellen sich vor: "Lotte" sagt die junge Frau in rosa Kleidchen und Silbertanzschuhen, "Werther" der Mann mit legerem, offenem schwarzen Hemd und silbernen Halbschuhen, "Albert" der adrett gekleidete Mann in Anzug und Krawatte.

Mai 1771 beginnt der erste Tagebucheintrag. Werther hat Anflüge von Depressionen, er sucht Zerstreuung auf dem Lande. Lange Tage braucht er, bis er die Natur wahrnehmen und genießen kann. Am 16. Junius dann ist er bereit für eine Begegnung, die sein Leben verändern soll: Er lernt Lotte kennen. Einen "Engel". Doch diese Lotte ist bereits vergeben: an Albert, den braven städtischen Angestellten. Dennoch können die Beiden es nicht verhindern, dem Zauber ihrer Begegnung zu erliegen. Werther ist bis über beide Ohren verliebt. Als Albert davon erfährt, bleibt er gelassen. Denn Albert "ist der liebste Mensch unter der Sonne".

Und so entspannt sich ein höchst merkwürdiges Dreiecksverhältnis zwischen den Drei. Die Drei auf der Bühne machen dies in einer Szene ohne Worte deutlich: Klopfen sich die Männer zunächst gewollt jovial auf den Rücken, versuchen sogar eine kumpelhafte Umarmung, zwängt sich Lotte dann dazwischen. Mal hängt sie an des einen Schultern, mal lehnt sie an des anderen Kopf. Doch eine bequeme und stabile Stellung will sich nicht einstellen. Immer wieder bricht einer der dreien aus und sie versuchen eine neue Position.

Die Inszenierung des Goethe-Textes von Regisseur Daniel Kuschewski von der Zürcher Hochschule der Künste gab ein begeistert aufgenommenes Gastspiel im Haus 73. Die drei Schauspieler waren sehr überzeugend. Kathrin Veith gab ihrer Lotte genau den richtigen Ausdruck von Pflichtgefühl, Leidenschaft und Liebe. Lukas Waldvogel zeigte sowohl den lässigen Intellektuellen wie auch den zu Gefühlsüberschwang neigenden Künstler und den verzweifelten Selbstmörder. Stefan Graf trat als strenger, treuer Mann auf, der nur im Tanz seine Gefühle kurzfristig zu äußern wagte. Eine gelungene Übertragung der "Leiden des jungen Werter" ins Heute.

Birgit Schmalmack vom 21.7.08