Das Tagebuch der Anne Frank



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Tagebuch einer erzwungenen Reifung

Zum Schluss ist nur noch eine der vielen Tagebuchseiten an der schwarzen Wand hängen geblieben. Anne Frank (Diana Piticas) greift danach und ihr Bild wird darunter sichtbar. Neben den vielen anderen Porträts derjenigen, die sich mit ihr in dem Hinterhaus in Amsterdam versteckt hatten, hängt es nun in einer Reihe. Sie streckt ihre eine Hand zaghaft danach aus, während sie mit der anderen ihre Tagebuchseiten fest an sich drückt.

Bis hierhin hat das junge, zwölfjährige Mädchen eine schwierige Entwicklung hinter sich gebracht. Zu Beginn der 90-minütigen Mono-Oper hüpfte sie noch munter wie ein Kind über die Bühne. Jetzt scheint sie, obwohl nur wenige Monate vergangen sind, um Jahre gereift. Sie weiß im Angesicht der ständig drohenden Todesgefahr die schönen Momente des Lebens zu schätzen. Sie genießt die innigen Momente mit dem Freund Peter, den Sonnenschein, der den blauen Himmel über dem Dachboden erstrahlen lässt und kann sogar über die Streitereien des Ehepaares Verdonck herzhaft lachen. Sie verlor ihre kindliche Unbeschwertheit, gewann aber eine Weisheit, die die meisten Menschen erst in einem viel späteren Lebensalter erreichen.

In ihrem Tagebuch hat Anne Frank für Millionen Leser Zeugnis davon abgelegt. Anne Frank wird den Nazi-Terror nicht überleben. Noch kurz vor Ende des Krieges stirbt sie im KZ Bergen-Belsen.

Die Zwölfton-Musik von Grigori Frid unterstreicht diese Entwicklungen durch sehr eindringliche Klänge. Diana Piticas, die die Rolle der erkrankten Kinga Barbara Heymann übernommen hat, meistert die musikalischen Herausforderungen der Oper mit großer Sicherheit. Die Pianistin Nadia Beineeva begleitet sie einfühlsam am Klavier. Regisseur Martin Anhalt hat den Text und die Musik für sich sprechen lassen. Er benötigt dazu bei dem Gastspiel des Antares-Musiktheaters im Opernloft nicht mehr als einen Tisch, einen Koffer, eine sangesstarke Sängerin und viele Seiten Papier.

Birgit Schmalmack vom 22.10.08