Vincent river



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Schrille Mutter

Feuchte Muffigkeit im Kellergewölbe. Regelmäßig donnerndes Zugrattern über der Decke. Kahle schmierige Kachelwände. Hier trifft Davie, der siebzehnjährige Jungen, im East End auf Anita, die fünfundvierzigjährige Frau im roten Chiffonkleid.

Davie kannte ihren Sohn. Dieser wurde auf einer Toilette eines als Schwulentreff bekannten Bahnhofsgebäudes ermordet. Davie hat ihn gefunden. Er kann den Anblick seitdem nicht wieder aus seinem Kopf verdrängen. 18 Monaten hat er gebraucht, bis er die Begegnung mit der Mutter wagte. Denn die Geschichte, die ihn mit Vincent verband, muss endlich erzählt werden. Ob Anita sie hören will, ist noch fraglich.

Die Location für Peter Dorsch Inszenierung von Philip Ridleys Stück ist ideal gewählt. Im Fundbureau stellt sich die richtige Atmosphäre auch ohne Bühnenbild ein. Selbst Musik erübrigt sich fast ganz durch das Dröhnen der Züge, das die Schauspieler zu eindrucksvollen Pausen nutzen.

Iris Bettina Kaiser spielt Anita als kapriziöse Exzentrikerin mit der Neigung zu plötzlichen, hysterischen Anfällen. Mathis Köllmann (Davie) überzeugt mit leiseren Tönen: Er versteckt seine Unsicherheit, Reue und Trauer hinter einer Fassade aus angesagter Coolheit. Er kippt Anita seine Geschichte vor die Geschichte und verdrückt sich danach durch die Seitentür, während Anita sich zu bassdröhnender Musik auf dem Boden wälzt.

Birgit Schmalmack vom 17.7.09