Immer nie am Meer


www.hamburgtheater.de

Zur Kritik von
mopo

Wenn die Schamgrenzen fallen

Drei Männer haben einen Autounfall. Nur ein paar Schrammen haben sie abbekommen, doch ihr Wagen ist zwischen zwei Bäumen eingeklemmt. Die Türen lassen sich nicht öffnen und das Glas nicht einschlagen. Denn dies ist ein besonderer Wagen: das gepanzerten Ex-Auto von Kurt Waldheim. Nur einen Schale Heringssalat und einige Flaschen Sekt sind zur Versorgung vorhanden.

Auf engstem Raume sind nun die drei unterschiedlichen Männer dazu verdonnert, ihren Stunden und Tage in immer hoffnungslos werdendem Warten auf Hilfe zu verbringen: der wenig erfolgreiche Country-Alleinunterhalter, der meist auf Feuerwehrbällen oder bei Schützenvereinen herumtingelt, der Geschichtsprofessor Baisch, dessen Frau gerade mit ihrem neuen Lover gen Mallorca gepflogen ist, während er immer noch auf die nahe Versöhnung hofft, und sein ewig nörgelnder, tablettensüchtiger Schwager. Diese vom Leben Gebeutelten sind keine Erfolgs verwöhnten Macher. Die Situation des auswegslosen Eingesperrtseins lässt bald jede zivilisatorischen Höflichkeiten zwischen ihnen fallen. Hygiene und Privatsphäre werden hier zu Luxusgütern. Über und über mit Sekt und verschiedensten Körperflüssigkeiten beschmiert, werden bald die letzten Schamgrenzen eingerissen und über intimste Detail des Sexlebens berichtet. Noch skurriler wird die Situation, als der nahe Retter, ein im Wald herumstreunendes Kind, sich als perfider Experimentator herausstellt, der die drei Männer nur für seine wissenschaftlichen Studien benutzen will.

Dominique Schnizer setzt die drei Männer auf ein weißes Podest inmitten einer Filmleinwand. So umgibt zunächst der Wald das Gefährt der Drei und später die Labor des überintelligenten hochbegabten Jungen. Wer viel Sinn für die derberen Arten des Humors besitzt, wird sich im Rangfoyer des Schauspielhauses gut unterhalten fühlen.

Birgit Schmalmack vom 29.6.10