Singular sensation


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Tanz auf dem Vulkan

Fünf Menschen- drei Frauen und zwei Männer - begegnen einander in einem weißen Spielfeld mit ansteigenden Seiten. In bunte Szene-Klamotten geworfen ist intensive Selbstinszenierung angesagt. Die Frau im lila Samtkleidchen macht auf schnurrendes Weibchen, das auch Tränenausbrüche zur Durchsetzung ihrer Wünsche einsetzt. Die Frau in grüner Männerunterhose und Glitzertop gibt sich dagegen als erotische und willenstarke Amazone, die ihre Reize bewusst einsetzt. Die dritte ist eine große blonde Hexenfrau in knappen Minirock und Schmetterlingsoberteil. Mit ihren überlangen roten Fingernägeln verzaubert sie nicht nur die Männer.

Auch die Männer stellen unterschiedliche Typen dar: Der erste in hautenger lila Leopardenhose ist der hyperaktive Spieler, der keine Chance auf Aktion auslassen will. Der zweite gibt eher das kleine Jungchen in Sweatshirt und kurzer Short. Er knüpft mit seinem Unschuldscharme sofort den direkten Kontakt zu den Frauen.

Die Stimmung in den Konstellationen zwischen den Fünfen kippt von einer Sekunde zur nächsten. Nichts ist sicher in ihrem Territorium. Nichts gibt Halt in ihren Beziehungen. Gefahr lauert überall. Die innere Leere muss durch Anhäufung äußerer Reize gefüllt werden. Ein Selbstdarstellungsevent jagt das nächste. Der nächste Kitzel muss eine Steigerung der letzten beinhalten. So landen die Fünf bei immer unappetitlicheren Ideen. Sie markieren sie selbst und die anderen mit Farbe. Sie suhlen sich in blutroter Götterspeise. Sie schmücken sich mit Lebensmitteln und schlagen sich mit Gürteln. Ihr Spiel kennt keine Grenzen. Alles muss ausgereizt werden. Dazu schrapt ein Elektrosoundstream, der oft an Gewehrgeknatter oder an Maschinengedröhne erinnert, hart an der Erträglichkeitsgrenze entlang.

Die israelische Choreographin Yasmeen Godder benutzt eine Tanzsprache, die die Zuschauer ebenso wenig schont wie die Tänzer. Sie kann im blitzschnellen Wechsel Ekel, Schönheit, Angst, Harmonie, Freude, Peinlichkeit erzeugen. Sie findet stimmige Übersetzung des hektischen, heutigen Lebens, das nach Halt suchend nur von einem Event zu nächsten jagt. Scheinbar frei kreieren die Suchenden sich selbst zum willigen Opfer ihrer eigenen unerfüllten Sehnsüchte.

Birgit Schmalmack vom 16.11.09