Lohnarbeit und Liebesleid



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Kurz vorm Sprung

Was ist der Mensch wert, wenn ihm die Kündigung sowohl vom Arbeitgeber wie auch von der Partnerin erteilt wird? Wenig wenn man den Kommentaren der "Stimmen" aus dem Off Glauben schenken möchte. Wie Geister umkreisen sie mit ihren finalen Ratschlägen ihre potentiellen Opfer. Die öffentliche Selbst-Hinrichtung ist das Ziel. Mit möglichst vielen feixenden Zuschauern. Zu gerne guckt der heutige, Medien-erprobte Zeitgenosse seinen Mitmenschen beim Leiden zu.

In fünf Dramoletten hat Johanna Kaptein dem Liebes- und Arbeitsleid einiger Menschen nachgespürt. Mit Sinn für die schnelle Zuspitzung der Leidanhäufung zeichnet sie Menschen, die ebenso rasant zur Selbstaufgabe bereit sind. Eigene Werte, eigene Meinung, einen eigenen Standpunkt Fehlanzeige. Die Stimmen haben meist leichtes Spiel: Schnell hängt der Briefsortierer am Baum, schnell hat die Callcenter-Angestellte ihr Handy aufgegessen, schnell ist die französische Luxus-Ehefrau in der Badewanne ertrunken. Doch es gibt auch seltene Widerständler: Der betrogene Ehemann beschließt sich ebenfalls in ein Liebesabenteuer zu stürzen. Und der gelangweilte Reiche ist ein Selbstmord viel zu anstrengend: Er bleibt lieber vor dem Fernseher sitzen.

Ein gut aufgelegtes Ensemble sorgt mit comichafter Farbigkeit, poppiger Musik und pointierter Überzeichnung auf der Bühne des Lichthofs für gute Unterhaltung. Regisseurin Nina Pichler findet eine kurzweilige Umsetzung, die den Raum für die nachdenklicheren Momente zum Teil bewusst zugunsten entlarvender Komik beschränkte.

Birgit Schmalmack vom 20.11.09