Die Gerechten


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Abendblatt

Für eine bessere Welt

Poesie ist Revolution, ist die Überzeugung von Janek. Dafür liebt ihn Dora. Stepan ist er allerdings deswegen höchst suspekt. Denn die drei gehören zu einer Gruppe von Sozialrevolutionären in Moskau 1905. Sie planen ein Attentat auf den Großfürsten und ausgerechnet der poetische Janek soll die erste tödliche Bombe werfen, eine Rolle, die ihm Stepan neidet.

Sind die fünf Revolutionäre, die die Machtherrschaft des russischen Großfürsten beenden "die Gerechten"? Darf Gerechtigkeit durch Gewalt herbeigeführt werden? Ist der Attentäter ein Mörder? Muss ihm die Gemeinschaft der Gruppe reichen? Darf ein Revolutionär Zärtlichkeit und Liebe erwarten? All diese Fragen stellt Albert Camus in seinem hoch verdichteten Theaterstück "Die Gerechten" nach den historischen Vorfällen im Russland Anfang des 19. Jahrhunderts.

Die Fünfer-Gruppe ist sich in diesen Fragen nicht einig: Janek (Thorsten Hierse) ist bereit einen Menschen zu töten, aber scheut vor dem Mord an einem Kind zurück. Stepan (Marios Gavrilis) dagegen sieht jedes Menschenopfer für die gute Sache als gerechtfertigt an. Alexej (Johannes Nehlsen) merkt, dass er der Gewaltspirale immer skeptischer gegenübersteht und verlässt die Kämpfertruppe. Dora (Nadine Schwitter), die einzige Frau unter ihnen, hofft auf ein wenig Liebe in ihrer eingeschworenen Gemeinschaft. Der Anführer Boris (Hermann Book) versucht die Meinungsfindung diplomatisch zu dirigieren ohne den Erhalt der Gruppe zu gefährden.

Alexander Riemenschneider lässt unter schweren, von der Decke baumelnden Lautsprechern spielen. Mal ertönt beruhigende Kammermusik, mal Tier- und Naturgeräusche, mal Kinderlachen. So friedlich und schön könnte diese Welt werden, wenn nur endlich die Gerechtigkeit herrschen würde. Doch davor steht der Großfürst, der Tyrann. Die Gruppe will die Hindernisse zur schönen neuen Welt unter Einsatz ihres Lebens aus dem Weg räumen.

Dora und Janek hätten in dieser besseren Welt ein Liebespaar werden können, doch Janek wählt den Opfertod am Galgen. Besondere Stärke zeigt diese Inszenierung bei der Herausarbeitung dieser unmöglichen Liebe. Nadine Schwitter und Thorsten Hierse erzählen in ihrem berührenden Spiel von der tiefen Sehnsucht nach zärtlichen Innigkeit und dem gleichzeitigen Glaube an ihre Ideale, der jede Zweifel im Keime ersticken muss, um noch handlungsfähig zu bleiben. Eine ergreifende Leistung des Ensembles, die mit wenigen, konzentriert eingesetzten Mitteln zum Nachdenken anregt.

Birgit Schmalmack vom 14.9.10