Montezuma


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Spiel mit Klischees

Souvenirverkäufer laufen durch das Foyer: Lautstark preisen sie in Lendenschurz, bunten Oberteilen und Hüten mit Bambusfedern ihre Waren an. So stellt sich der Europäer Mexikaner vor. Auf der Bühne ist alles zunächst ebenso klar geordnet: Links sitzt das Orchester, rechts stehen die hölzernen Treppenaufbauten, auf denen König Montezuma (Flavio Oliver) mit seiner Braut vom Einmarsch der Spanier erfährt. Der "gute Wilde" gewährt den Fremden gemäß seiner Tradition Gastfreundschaft, die bitter ausgenützt wird. Denn der spanische Eroberer Cortez mit Cowboy-Hut (Adrián-George Popescu) ist auf seinen Vorteil bedacht: Er will die hübschen Frauen, den Reichtum abschöpfen und benutzt dazu gerne den Vorwand der Bekehrung zum rechten Glauben. Das Menschenopfer, das Montezuma zu Beginn als Ritual durchführt, fordern die Spanier in ihrem Eroberungsfeldzug gleich tausendfach. Soweit so bekannt.

Regisseur Claudio Valdés Kuri, rüttelt in den ersten beiden Akten nicht an den Klischeevorstellungen seines europäischen Publikums. Unfreiwillig komisch wirken einige seiner Regieeinfälle: Die Königin muss sich als Pinupgirl mit aufgeklebten Punkten über den Brüsten für den Spanier prostituieren, die Eroberer marschieren mit einem leibhaftigen Hund herein, der ganze Gesangspartien durchkläfft und Montezuma darf sich ein wenig zu auffällig mit seiner beeindruckenden Oberkörpermuskulatur brüsten.

Erst nach der Pause wagt sich Kuri an die Hinterfragung und Brechung der Klischees. Das Orchester (Leitung: Gabriel Garrido) sitzt nun in Alltagskleidung im Halbkreis um den entmachteten Potentaten Montezuma. Der steht einsam auf einer bühnenhohen Säule, während der arrogante Cortez bequem auf einem Stuhl sitzend und kalt lächelnd auf den Moment seines Absturzes wartet. Derweil hat die Konsumgier die Mexikaner zum Feind überlaufen und ihren König vergessen lassen. Ihre folkloristischen Lendenschurze haben sie gegen Kleidung aus Europa getauscht: Da gibt es Punks, Transvestiten, Touristen und weitere Merkwürdigkeiten der europäischen Kleiderordnung.

Der mexikanische Regisseur Kuri hat die Barockoper von Friedrich dem II. an den Spielort ihres Geschehens geholt. Schade dass er erst nach zwei Dritteln seiner Inszenierung den Grad der Spannung durch gezielte Brechung und Provokation erhöhte. So plätscherten die wohl intonierten Arien und Orchesterpartien dahin, ohne dass sich die Zuschauer zur Hinterfragung des Gesehenen herausgefordert fühlen mussten.

Birgit Schmalmack vom 5.10.10