M - ein Mann jagt sich selbst


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Du warst es, nicht ich

Die Fensterfront ist mit Zeitungsseiten zugeklebt. Ein Mann kommt zur Tür herein. Sauber gekleidet in weißem Hemd, Weste, Krawatte und Anzughose. Ein ordentlicher Zeitgenosse, so scheint es. Er macht sich Gedanken. Denn seine Stadt hat sich verändert, seit die Zeitungen immer wieder von einem Kindsmörder berichten, der hier sein Unwesen treibt. Die Stadt hat tausend Augen bekommen. Der Mann fühlt sich beobachtet. Er mag sich nicht mehr auf seine Parkbank setzen, zu viele Augen scheinen auf ihn gerichtet. Er meidet Menschen und flüchtet in seine Wohnung. Doch auch dort hört er Stimmen und Schritte. Leises Knarren, zeitweises Pochen, vorsichtiges Schraken. Er ist beunruhigt, kann nicht mehr schlafen. Er gräbt in seinem Gedächtnis nach dem Grund. Doch wofür?

Nur langsam offenbart sich die zweite Seite dieses Mannes im Spiel von Daniel Wahl. Weste, Krawatte, Hemd werden ebenso abgestreift wie seine oberflächliche Wohlbürgerlichkeit. "Du warst es, nicht ich", versucht er sich zunächst noch einzureden. Doch dann blickt er in den Spiegel einer frei gelegten Fensterscheibe der Hamburger Botschaft und erkennt: "Das Du bin ich."

Wahl schält die bedrückende und beunruhigende Seite dieses braven, ordentlichen Staatsbürgers hervor. Herr Mustermann entpuppt sich als das Monster. Doch diese Verwandlung gilt auch umgekehrt: Zuletzt legt Wahl seine äußere saubere Hülle wieder an, entriegelt die Tür und geht hinaus auf die Straße. Eine kleine, aber sorgfältige Arbeit des Regisseurs Clemens Mägde nach dem legendären Film Fritz Langs "M - Eine Stadt sucht einen Mörder".

Birgit Schmalmack vom 9.10.10