Atropa. Die Rache des Friedens



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Nachtkritik

Kampf der Kulturen

Das Leben ist ein Witz, meint Helena. Iphigenie dagegen ist glücklich. Noch. Was sie nicht weiß: Ihr Vater plant ihren Opfertod. Denn Agamemnon ist überzeugt: Er muss Blutopfer bringen, um die Zivilisation zu retten. Die griechische Kultur ist in Gefahr. Der Terror hat sie angegriffen, indem die Trojaner die Griechin Helena geraubt haben. Ein Kampf der Kulturen beginnt, der zehn Jahre wüten wird. Als der große Führer Agamemnon zurück kehrt, wird er allerdings nicht als Held empfangen. Stattdessen steht er einem entwürdigten, entmutigten und enttäuschten Volk gegenüber.

In lockerer Freizeitkleidung hatten die vier Männer (Julian Greis, Daniel Lommatzsch, Rafael Stachowiak, André Szymanski ) ihren Schnelltrip durch die griechische Antike begonnen. Vor der ersten Reihe stehend erzählen sie sie mit verteilten Rollen. Das Bühnenbild gleicht den Zuschauertribüne auf der anderen Seite. Schwarze Stuhlreihen ordentlich aufgereiht. Doch es ist leer.

Dann trennen sich die Reihen mit lautem Kreischen und machen in der Mitte einen Korridor für Iphigenie (Daniel Lommatzsch) frei. Sie streift sich vor ihrem Opfertod alle Kleider vom Leibe. Unangenehm sei das schon, bekennt der Schauspieler, unverkennbar ein Mann. Wie ein Held geht er dann mit erhobenen Armen dem Tod entgegen. Die Anderen nehmen als kahl rasierte Soldaten hinter ihm Aufstellung. Agamemnon schwingt große politische Reden vor dem Mikrophon. Seine Frau stellt ihre Meinung wortreich dagegen. Zum Schluss sind ihre Gesichter zu weiß-schwarzen Fratzen geschminkt. Sie sind gezeichnet von Leid, das ihre überlegene Kultur angeblich retten sollte.

"Nine eleven" hat Tom Lanoye angeregt, den griechischen Tragödien nachzuspüren. Ähnlichkeiten mit der Gegenwart sind ausdrücklich erwünscht. Lanoye legt die historischen Wurzeln des Kampfes der Kulturen frei. Nicht erst ab 2001 dienten Kulturfragen für die Rechtfertigung von Kriegen.

Unverkrampft, verspielt und dennoch reduziert und konzentriert hat Antu Romero Nunes das Stück des niederländischen Autors in Szene gesetzt. Tolles, hoch anregendes Theater.

Birgit Schmalmack vom 16.12.10