Macho-Man



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Warmduscher trifft Traumfrau

Daniel hat Pech gehabt, er ist in den Siebzigern aufgewachsen. Die Phase Deutschlands, die durch zwei Umstände charakterisiert wurde: Die Nazivergangenheit wurde aufgearbeitet und die Frauen emanzipierten sich. Das schlug sich in Daniels Erziehung nieder und er hat heute noch mit den Spätfolgen der Bemühungen seiner Alt-Achtundsechziger-Eltern zu kämpfen: Von Männlichkeit keine Spur und linksliberal-tolerant bis zur Selbstaufgabe. Sein Erfolg bei den Frauen hält sich demzufolge in Grenzen, bis er in Antalya auf Aylin, die Türkin aus Hamburg trifft. Die schöne Animateurin verliebt sich in den deutschen sanften Frauenversteher. Er kann sein Glück kaum fassen.

So sieht sich Daniel wenig später den Herausforderungen einer türkischen Großfamilie gegenüber. Er lernt, dass Kaffeesatzlesen über seine Zukunft entscheiden wird, dass man in der türkischen Familie alles tun, aber nie darüber reden darf, dass nicht er sondern seine Eltern um Aylins Hand anhalten müssen und dass der richtige Lieblings-Sportverein Herzen öffnen kann.

Klischees werden viel und gerne benutzt in der Komödie "Macho-Man" im Theater in der Basilika. Aber nur um sie kurz danach ebenso lustvoll zu brechen. So gibt es rothaarige, blauäugige Türken, die nicht nur Juristen sondern auch noch schwul sind. So gibt es intellektuell theoretisierende Väter, die im Gespräch mit den Schwiegereltern in spe dem multikulturellen Paradoxon in der Praxis auf die Spur kommen. Da gibt es pseudo-tolerante Mütter, die vor ihrer ersten Begegnung Besuch unbedingt noch den Satz auf Türkisch lernen wollen: Wir sind keine Nazis.

Markus Schoenen spielt alle Rollen in dem Stück nach dem gleichnamigen Roman von Moritz Netenjakob. Ganz ohne Requisiten auf der völlig leeren Bühne verwandelt er sich unter der Regie von Gunnar Dreßler in Aylin durch eine kokette Handbewegung, in den Bruder Cem durch wiegenden Macho-Gang, in seinen Freund Marc durch Hamburger Slang, in den Vater durch näselnden Akademikersprech und in den Schwiegervater durch türkischen Akzent. Zum Schlussapplaus lässt er alle nacheinander sich noch einmal verbeugen. Wenn sich auch die neuen Erkenntnisse in Sachen deutsch-türkische Integration in Grenzen halten, sind der Spaßfaktor und die schauspielerische Leistung umso bemerkenswerter!

Birgit Schmalmack vom 3.1.10