hamburgtheater

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Theaterkritiken
aus und für Hamburg seit 2000
ab dem 22.07.24 wieder mit einem Theater-Special aus Berlin
.....und nun auch mit einem Buch zur Künstler:innenszene in Berlin

Fools in love, Monbijou Foto: Joachim Gern

Warum Berlin?

In Berlin probiert sich die Welt aus. Hält dieser Eindruck dem Praxistest stand? Interviews mit 52 Künstler:innen
Ich begebe mich für ein Jahr zu ausgedehnten Stadtspaziergängen in die Hauptstadt und begegne dabei ganz unterschiedlichen Weltberliner:innen, die mir berichten, wie sie Berlin erleben. Ganz nebenbei streifen sie in ihren Gesprächen alle aktuellen Diskurse Berlins zu People of Colour, Isra-Berliner:innen, Gentrifizierung, Queerness, Diversity oder Teilhabe.
Letzte Lesung am 4.4.24 in der Berliner Brotfabrik
http://warumberlin.de

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Fools in love, Monbijou-Theater Diese Shakespeare Revue, in der immer mal wieder für einen Song zum Mikro gegriffen wird, ist ein Riesenspaß. Das liegt nicht nur an den netten Einfällen sondern vor allen Dingen an den drei Schauspieler:innen, die so sympathisch mit dem Publikum spielen, dass man ihnen keinen Gag übel nehmen kann und auf die Stringenz der Grundgeschichte gerne verzichtet. Einzig das überraschende und gefühlt allzu frühe Ende gießt etwas Wasser in den Wein des Vergnügens. (Foto: Joachim Gern)



Romantische Erkundungen, Thalia Auf der scheinbaren Chaosbühne arrangiert Regisseur Till Dogan Ertener mit leichter Hand zwischen Dialeinwänden, Klavier und Plastikfolien die verlorenen Seelen dieses Stückes. Toll wenn sein Ensemble die so eindrücklich spielen kann wie Sophia Burtscher, die ihrer Katharina so viele Ebenen zu geben vermochte, dass man ihre Abgründe in jedem Moment spürte, auch wenn sie sie nicht in Worte fasste. Ebenso brillierte sie als verruchte, verrauchte und großspurige Frau des Nachbarhauses. Ertener erschuf so innerhalb von einer kurzen Stunde einen Stimmungsraum, der Lust auf mehr machte.



Johann Holtrop, Kampnagel Der reine Schauspielerinnen-Cast ist zuständig für die gesamte Personage des Romans und springt im dauernden Wechsel von einer Rolle in die nächste. Ihre Dialoge werden fast durchgehend in einem Sprechgesang und mit einer speziellen Bewegungschoreographie vorgetragen Dieses Konzept hätte allzu künstlich wirken und die Personen zu Klischeefiguren werden lassen können, doch Bachmann hat genau an den richtigen Stellen, in denen es an die psychologische Substanz geht, den künstlichen Sprachduktus verlassen und den Persönlichkeiten mit all ihren Besonderheiten ihren Raum gegeben. Ein inszenatorisches Highlight des diesjährigen Festivals, das ganz neue Seiten am Altmeister Bachmann zeigte.



Der zerbrochene Krug, Theaterfestival So geht es in dieser Inszenierung nicht nur um Machtmissbrauch in einem Dorf sondern auch um Ausbeutung im globalen Rahmen. Doch diese Hinweise kann man auch getrost übersehen, wenn man sich an dem handwerklich sauber gearbeiteten Abend, der als Gastspiel vom Deutschen Theater aus Berlin nach Hamburg kam, erfreut. Keiner, der einen von den Stühlen haut, aber einer, der vieles richtig macht.



Faust, Theater Altes Heizkraftwerk In der großen leeren Fabrikhalle mit den hohen Decken und den freien Räumen kann sich die fantasievolle und eigenwillige Inszenierung von Regisseur und Intendant Thorsten Diehl perfekt entfalten. Hier hat er genügend Platz für eine Bergwanderung auf einer Landschaft auf Pappkartons, für ein Kasperltheater und sogar eine Showeinlage auf der Galerie....Spätestens mit dieser Inszenierung hat Diehl sein nicht mehr ganz so neues und dennoch immer noch zu entdeckendes Theater im Alten Heizkraftwerk zu einer Adresse werden lassen, die man als Theater-Interessierte auf dem Schirm haben sollte.



Ciboulette, Opera Stabile Hier geschieht eher zu viel als zu wenig. All die kleinen Subgeschichten, die Todtner mit seinem spielfreudigen Ensemble unterhalb der Hauptstory auf der kleinen Bühne abspielen lässt, erfordern den Mut zur Lücke, man wird sie nicht alle mitbekommen. Das liegt nicht nur daran, dass so viel gleichzeitig geschieht, sondern auch daran, dass die Puzzleteile des Bühnenbildes ständig neu arrangiert werden. Es ist schon faszinierend zu beobachten, wie die gewichtigen rosafarbenen Holzteile zu immer neuen Arrangements zusammengesteckt werden können, doch zieht auch die Aufmerksamkeit stark an sich. Da drohte in dieser ideenreichen Inszenierung die Musik fast zur Nebensache zu werden, bei all der Selbstinszenierung der Personen, ihrer Kostümierung und der Choreographie der beweglichen Bühnenteile. Dennoch eine gelungene Neuinterpretation als bonbonbuntes Drama, die auf keinen Fall eines war: langweilig.



Richard III., Hamburger Theaterfestival Bei Lars Eidinger unter der Regie von Thomas Ostermaier ist "Richard III" weniger ein blutrünstiger Schlächter, der einen vermeintlichen Konkurrenten nach dem anderen aus dem Weg räumt, als vielmehr ein verschmitzter Spieler, der dem Publikum zuzwinkert, während er seine Mordtaten präsentiert. Er ist der geborene Manipulator. Sogar das Publikum kann er spielend auf seine Seite ziehen. Er erzählt ein wenig von seiner schweren Kindheit, von der Ungerechtigkeit seiner äußerlichen Natur, von seiner Zurückweisung durch die Anderen, die nur auf Äußerlichkeiten setzen, und schon scheinen ihm alle Sympathien zuzufliegen. Auch als Bestie bleibt er ein augenzwinkernder Charmeur.



Serge, Altonaer Theater In "Serge" wird sich einerseits über den Tourismus der Vergangenheitsbewältigung lustig gemacht und andererseits dieser als Anlass einer Konfrontation mit Verdrängungsmechanismen genutzt und ein tiefer Blick in die Seelen der Familienmitglieder gewagt. Schließlich wird das Schweigen vererbt. Worauf es sich bezieht, kann aber vielgesichtig sein. Aus deutscher Perspektive ein ungewohnter Ansatz, aus französischer Sicht erfrischend selbstverständlich möglich. Ein intensiver, konzentrierter und sehenswerter Abend unter der Regie von Georg Münzel im Altonaer Theater. Auch dank der phänomenalen Leistung von Ulrich Bähnk, der den sensiblen Kotzbrocken in jeder Sekunde überzeugend spielte.

 

Entrissene Welten, Lichthof Jakobi macht kein Hehl daraus, dass sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder gar Vergleichbarkeit der jeweiligen Umstände erhebt. Oder auf eine abschließende Beurteilung. Weder war im Osten alles wunderschön, wie die sowjetische Utopie eines gut versorgten, gleichgestellten Sowjetbürger verhieß, noch war mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Wiedervereinigung nun alles wieder gut. Das machte der Abend über schwere Themen auf spielerisch-leichte Art deutlich.



JUDEN, JUDEN, JUDEN, Lichthof Zimmering und Aloni schaffen es, dass das Ensemble als Gemeinschaft erscheint und dennoch jede und jeder seine ganz eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringen kann. Sie finden für alle von ihnen eine Form der Selbstpräsentation, die den Zuschauer:innen das Gefühl vermittelt, elf Menschen persönlich kennen gelernt zu haben, die in keine Klischeevorstellung passen. So wird man hinterrücks und geschickt an den eigenen Erwartungen an einen Abend mit dem Titel "Juden, Juden, Juden" gepackt.



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