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Der Hässliche

Der Hässliche Foto: Oliver Fantitsch.

Die Normierung der Schönheit

Mit diesem Gesicht können Sie nichts verkaufen, bekommt Ingenieur Lette (Harald Weiler) von seinem Chef (Dirk Hoener) mitgeteilt. Statt seiner soll sein gutaussehender Assistent (Ole Schloßhauer) auf die Messe fahren. Lette entschließt sich zu einer Schönheits-OP. Er unterschreibt, dass er fortan auf sein Gesicht verzichten werde. Mit weitreichenderen Konsequenzen, als er geahnt hat. Der Schönheitschirurg kopiert fortan sein hervorragend gelungenes Meisterstück wie am Fließband. Lette begegnet nun seinem Gesicht ständig auf der Straße, im Park und in der U-Bahn.
Schönheit sieht immer gleich aus, Hässlichkeit ist einzigartig, meint dazu der Autor Marius von Mayenburg, dessen Stück Maike Harten in der Kontraste-Reihe des Winterhuder Fährhauses inszeniert hat. Die geschickt erdachte Bühne ist ein umlaufender Lüftungsschacht, der hier alles sein kann: Arbeitsplatz des Ingenieurteams, OP-Tisch des Chirurgen, Laufsteg für den neuen Lette und Swimmingpool der mit Lette Flirtenden.
Die Bühne versucht damit eine Ebene der Abstraktion zu erreichen, die die Regie nicht immer bedient. Zu oft lässt Maike Harten sich von den satirischen Anlagen des Textes zur komödiantischen Übertreibung verlocken. Da knacken die Knochen, da quietscht die Flex, da saugt die Insektenvertilgungspumpe, da legt Lette einen angedeuteten Striptease hin, da ist das Erregungslevel oft einen Tick zu hoch angesetzt, um die leiseren Momente des Nachdenkens zur Geltung kommen zu lassen.
So wirkt das Ende etwas aufgesetzt. Lette steht einer seiner Kopien gegenüber und tauscht mit ihr Liebeserklärungen aus, die hier so klingen: „Ich liebe mich. Ich kann nicht ohne mich leben.“ In Mayenburg bitterböse Satire ist eine Gesellschaft, die auf normierte Äußerlichkeiten ausgerichtet ist, endgültig an ihrem Zielpunkt angekommen; der Mensch braucht sich nicht mehr der Anstrengung der Begegnung mit dem Fremden auszusetzen, er trifft nur noch auf die technisch vervielfältigten Duplikate der momentanen Schönheitsnorm.
Birgit Schmalmack vom 13.3.14