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Poetry Slam, Mathilde

Poetry Slam Mathilde

Jeder ist hier ein Star

Die älteste Slambühne Hamburg, die seit nunmehr 15 Jahren auch unerfahrenen Poeten eine unkonventionelle Erprobungsmöglichkeit vor der Öffentlichkeit bietet, ist ihren bewährten Regeln treu geblieben. Keine Vorauswahl der Künstler, keine Jury, keine Gage, stattdessen viel Applaus und Punktevergabe durch das Publikum per Zettel und Stift. In dem gemütlichen Cafe in der Bogenstraße, das mit 50 Zuschauern so gut gefüllt ist, dass sich der Kontakt zwischen Zuschauern und Künstlern fast automatisch ergibt. Die drei Initiatoren der Lesebühne Längs Armin Sengbusch, Helene Bockhorst und Thomas Nast machen mit ihren eigenen Texten die Anheizer, halten sich ansonsten aber dezent im Hintergrund. Selbst die Ankündigung der folgenden Slammer wird von den dem Vorgänger selbst übernommen. Die erste Ausgabe des neuen Jahres, die turnusgemäß am ersten Dienstag im Moment stattfand, stand unter dem Motte „Satire“. Doch so vielfältig die Altersspanne der Vortragenden so waren es auch die Stile der Texte.
Anheizer Armin Sengbusch ließ in seinem Text über das Feuer nichts anbrennen. Der Ferrari, der auf der Straße brennt, ist zum Glück nur in der Fantasie der eigene, denn das Konto ist stets abgebrannt.
Auch der letztmalige Gewinner, der Türsteher Viktor ist ein Profi in Sachen Vorlesen. Als Türsteher im Nebenberuf erlebt er täglich die Realsatire, die keiner weiteren Überzeichnung bedarf. Ob es die konsequente Wirklichkeitsverleugnung mancher Kiezgäste oder die zufällige Trübung der Sinne durch allzu viel Alkoholgenuss ist; Viktor bekommt an seinen Portalen viel Stoff für seine Texte geliefert, die er liebevoll in gewandte Worte zu kleiden versteht.
Ingrid beschriebt in ihrem Gedicht ein mysteriöses Weihnachtsgeschenk, das bis zum Schluss rätselhaft bleibt. Luke dagegen geht mit der Zeit: Er liest seinen Text Papier schonend vom Handy ab: In ihm stellt er sich diesmal vor, Politiker seien Katzen. So hätten sie sich zum "Grr 20" Treffen in Hamburg getroffen und Trumpicat hätten sich mit Purrtin einen Schwanzvergleich geliefert, um der einzigen Pussy Schnurkel unter all den Katern zu imponieren.
Arne verpackt seine Kapitalismuskritik in eine märchenhafte Geschichte aus früheren Zeiten, als es eine Weihnachtsgeschenkekrise gab. Die üblichen dienstbaren Geister Nikolaus und Weihnachtsmann hätten plötzlich ihre Dienste aufgegeben, weil die nicht nachhaltige Wunschwirtschaft nur noch für unerfüllbare Wünsche sorgte. So wurde kurzerhand das System auf Beschaffung durch Selbsthilfe umgestellt, dass seitdem die Wirtschaft bis heute zuverlässig weiter ankurbelt.
Irenes Satire kommt im unschuldigen Gewand daher. Doch sie schildert eine Selbsthilfe drastischerer Art. Die unangepasste Franziska, die von der Gesellschaft aussortiert worden ist und in einer Einrichtung lebt, erfüllt sich ihren großen Lebenswunsch nach einem eigenen Haus, indem sie bei einer Einladung zum Tee ihre Tante einfach vom Dach stürzt.
Die zweite Anheizerin des Abends nach der Pause Helene Bockhorst beschreibt eine grausige Dorfweihnacht, bei der sie die Tratschereien der Schwiegereltern nur zum Stoppen bringen kann, indem sie die alten Dorffehden zwischen den Kakenstrats und den Bockhorsts zur Sprache bringt und damit die Stimmung auf den Gefrierpunkt bringt.
Sabine trug eine Nachdichtung eines Gedicht von Eugen Roth über einen Säufer vor, der am Ende seines Lebens in den Himmel kommt, weil die Hölle schon überfüllt ist.
Anika rechnete mit dem vergangenen Jahr gründlich ab. Ob die in ein sicheres Herkunftsland abgetauchte Regierung, die Trefferserien in den europäischen Großstädten, die Geburt der AfD, die Einbalsamierung mit Fake News, die #Me-Too-Debatte, das G20 Debakel in Hamburg, das Jahr hatte für die wortgewandte Anika nichts Gutes zu bieten. Das Team Maritim aus Vater und Tochter las seinen gemeinsamen Text über Vorurteile vor, und fing gleich bei sich selbst an. Die vielfältigen Wurzeln der eigenen Familiengeschichten gaben reichen Stoff.
Jan trug zum krönenden Abschluss mit staubtrockenem Humor eine Ode an seinen Spaten vor, und zwar auf plattdeutsch. Die zahlreichen Kerben auf seinem Stiel zeugen von allerlei Zusammenstößen mit unliebsamen Zeitgenossen, die endgültige Bekanntschaft mit seinem Spaten machen mussten. Jan gewann den Wettbewerb und lieferte damit auch gleich das neue Motto des nächsten Poetry-Slams, nämlich „Fundamente“, da der vormalige Sieger den ersten Text beisteuern muss.
Also: Allein um zu erfahren, wie Jan seine plattdeutsche Spatensatire beim nächsten Mal fortführt, würde sich sich ein Besuch im nächsten Monat in der Mathilde schon lohnen, der sympathischen Nachwuchsförderbühne für Poetry Slammer, in der sich jeder für mindestens fünf Minuten wie ein Star fühlen darf.
Birgit Schmalmack vom 3.1.18




 

Mathilde Themenslam

Mother Africa, Kampnagel
Der Fremde, Thalia

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