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Stand by me

Leben in der Warteschleife
Das Leben findet nur in einer Vorstufe des Todes statt. Im Wartezimmer des Lebens sitzen zwei Männer und zwei Frauen und sitzen ihre Lebenszeit ab. Ihre Wartezeit vertreiben sie sich mit dem Austausch von vermeintlichen Gesprächsinhalten. Das Hin- und Hergeplänkel von Worthülsen täuschen Kommunikation vor, wo nur Selbstbespiegelung und Selbstvergewisserung sind. Pseudo-akademisch aufgebläht werden Fremdwörterschleifen gegen Illustriertenweisheiten gesetzt. Männersprüche treten vermeintlich intellektuelles Soziologengeschwätz an. Eine esoterische Workshop-Sprüche-Suppe wird gekontert von Wortspielgequirlltem. Todernst ist es den Vier dabei, kein Wunder bei ihrem Leben im Stand-by, das doch nur die große Sehnsucht nach einem „Stand by me!“ ausdrückt und ihre gelichzeitige Unfähigkeit dazu.
Lena Biresch hat nach „Format C“ ihr zweites Stück in der Fleetstreet auf die Bühne gebraucht. Diesmal in eigener Regie. In hautfarbenen Trikot-, Baumwoll- und Strickallerei gehüllt wird das blasse Menschsein auf der zum Wartesaal umfunktionierten Bühne gezeigt. Roboterhaft schichten die Vier zwischen den sechs Einzelszenen die zwölf schwarzen Stühle nach einem von außen vorgegebenen Plan immer wieder um. Biresch erweist sich mit diesem Stück als virtuose Sprachkünstlerin. Das macht es vielleicht weniger eingängig als das mitreißende „Format C“, fordert aber noch mehr zum Nachdenken heraus.
Birgit Schmalmack vom 15.5.10