Hamlet, Kampnagel
Der Live-Soundtrack der vier Musiker:innen ist grandios. Wie der Geiger und der Percussionist, der aber auch einen Gartenschlauch singen lassen kann, und die zwei Sängerinnen einfühlsam das Geschehen auf der Bühne begleiten und vorantreiben, ist wunderschön und innovativ zugleich. Erwähnenswert ist allerdings außerdem noch, wie divers Masilo ihr Ensemble zusammengestellt hat. Bei den Tänzer:innen sind vielfältige Körperformen zu sehen, von denen leider viele für eine europäische Produktion schon im Vorfeld aussortiert worden wären. Toll welche Talente hier dadurch auf der Bühne zu erleben waren. Ein eingängiger, kurzweiliger und gefühlsreicher Abend, von dem das Bild der ertrinkenden Ophelia am längsten haften bleibt.
Das Wunder von Hamburg, Kampnagel
Klar, das Wunder von Hamburg wurde nicht gesichtet. Aber viele gescheiterte Visionen vom großen Geld, aber auch von partizipativer Stadtraumgestaltung. Ligna führt klar die Prinzipien der neoliberalen Stadtraumvermarktung vor Augen. Dazu bietet der ins Bodenlose gestürzte Benko natürlich ein perfektes Anschauungsobjekt. In seinem Scheitern könnte auch ein Neuanfang liegen. Auch das wollen die Macher von Ligna andeuten. Doch mit Tanzen unter einer Bauruine ist es wohl nicht getan. Vielleicht lassen sich auf der Rückfahrt bei süßem Popcorn, flackerndem Diskolight und poppiger Musik ein paar Ideen entwickeln? Eventuell hätten dazu aber auch die wenigen gelungenen Beispiele in Hamburg ein paar Anregungen geben können.
Reparation Nation, Kampnagel
Doch dieser Abend ist im Grundton keineswegs anklagend. Denn Jessica Nupen schafft es stets in ihren Choreographien, ihre Botschaften mit einer Atmosphäre der Lebensfreude, Zuversicht und Gemeinschaft zu umgeben. So auch dieses Mal bei ihrer neusten Arbeit „Reparation Nation“. Sie führt ihr Publikum mit ihrem tollen Ensemble auf eine Reise durch die vielfältige Kulturlandschaft Afrikas. Die fünf Tänzer:innen bewegen sich in farbenfrohen, ständig wechselnden Kostümen durch Tanzstile und Zeitschienen hindurch. Zulutänze mit wehenden Fransenkostümen, Hiphop und Breakdance zu modernen Beats und Modern Dance zu gemischten Rhythmen (Musik: Sasha Perera). Sie beherrschen alle Stile und kombinieren sie zu einem mitreißenden Mix. (Foto: Steve Thomas)
Beethoven 7, Kampnagel
Die Musik Beethovens wird in Sasha Waltz' Arbeit "Beethoven 7" ebenso erlebbar wie die von Noguera. Dass Waltz mit ihrem Team dafür jeweils ganz andere Ausdrucksformen findet, zeigt deren großer Wandlungsfähigkeit. So versöhnte der zweite Teil viele im Publikum der voll besetzten K6, die nach dem Krach des ersten etwas ratlos aus dem Saal kamen. Dennoch kann man auch nicht umhin zu sagen, dass der zweite Teil erwartbarer verlief, während der erste Teil voller überraschender Faszinationen steckte, die sich aus dem Nebel allmählich herauslösten. So war für jeden etwas dabei: Für diejenigen, die sich irritierend Neues erhofften wie für diejenigen, die sich von Beethovens schönen Freiheits-Klängen entführen lassen wollten. (Foto: Sebastian Bolesch)
Ivo Dimchev, Kampnagel
Der Mann mit seinem blonden Undercut-Topfschnitt mit Metallstacheln zu dunklem Schnurrbart, dem offenen Jackett zu riesigen Perlenketten ist schon eine kokette Rampensau, die eine One-Man-Show hinlegt, die nichts vermissen lässt. Eine Art Freddie Mercury, der jeden seiner Songs mit einem Knicks beendet. Dieser Mann kann jede Bühne ganz alleine füllen. In seinen Songs spiegelt sich sowohl stimmlich wie klanglich ein ganzes Orchester.
Traum(a), Kampnagel
Der Regisseur Branka Simic´ stellt sich ganz in den Dienst der Geschichte des Jungen, dessen Leben durch den Krieg ein anderes wurde. Er verzichtet weitgehend auf theatrale Inszenierungsmittel. Weder schafft er eine explizite Bühnensituation noch lässt er den Schauspieler Drazen Pavlovic seine Rolle ausagieren. Sehr schlicht lässt er die Geschichte von Alen S?imic´ und die Bilder des Fotografen Armin Smailovic aus dem ukrainischen Kriegsgebiet auf die Zuschauer wirken.(C) Armin Smailovic
Herakles nach Euripides, Kampnagel
Dieser zwiegespaltene Herakles, dieser gebrochene Held, steht im Mittelpunkt von Lucia Wunschs Abschlussinszenierung auf Kampnagel "Herakles nach Euripides". Der Clash zwischen antikem Dramentext und heutiger Kinderzimmerästhetik überrascht zunächst. Die ungewohnte Besetzung des Herakles mit dem zarten, feingliedrigen Alex Junge, der aber so gar nichts von einem muskelbepackten Superhero hat, ebenso. Dieser Hipster-Softie spielt augenscheinlich lieber mit Luftballons als mit dem Speer und der Keule, mag er auch noch so sehr den siegesgewissen Kämpfer mimen. Eigentlich nimmt man es ihm nicht ab. So stellt das Team um Wunsch das Heroentum von heute und damals in Frage. Jede Mordtat hat ihren Preis, mag die äußere Schale auch noch so hart erscheinen, im Inneren bleiben Verletzungen zurück. Sie werden sich ihren Weg an die Oberfläche suchen.
Mauern, Kampnagel
Genauso wie heutzutage in dieser Gesellschaft kaum noch allgemein akzeptierte Grenzziehungen, Einsortierungen und Ordnungsprinzipien möglich sind. Im Zeitalter der Individualisierung, der Personalisierung und des Fließenden sind harte Schubladen, harte Mauern zu amorphen Gebilden geworden, die sich nicht klar definieren und erkennen lassen. So hatte dieser Arbeit genau diesen Erkenntnisgewinn: Jede, die sich auf die Suche nach klar fokussierbaren Erzählungen macht, muss scheitern. Nichts ist mehr greifbar. Alles ist diffus. Ein wenig kommt die Wehmut nach alten Zeiten auf. Auch der Hamburger Applaus für das Gastspiel auf Kampnagel fiel verhaltener als sonst aus.(Foto: Dorothea Tuch)
A PASSAGE TO BOLLYWOOD, Kampnagel
Funkelnde Kostüme, schöne Frauen, echte Männer, energiegeladene Musik, eingängiger Tanz und eine dramatische Story mit viel Ehre, Macht und Liebe: Das sind die Zutaten eines guten Bollywoodmusicals. All das hat das Gastspiel auf Kampnagel, das dieses Genre auch nach Hamburg brachte, ohne Zweifel zu bieten. Zudem kann es mit seinen Kapiteleinführungen auf Englisch, die auch für Bollywwod-Neulinge verständlich sind, den Zugang zu dieser Kunstform erleichtern. (Foto: Navdhara )
Isidlamlilo, Kampnagel
Die Leistung der Schauspielerin während ihres eineinhalbstündigen Monologs waren herausragend. Mthombeni demonstrierte eindrucksvoll, wie viele Facetten in ein und derselben Person stecken können. Sekundenschnell wechselte ihr Gesichtsausdruck von Gutmütigkeit zu Mordlust, ihre Rede von Selbstreflexivität zu Aberglaube. Hohe Schauspielkunst, die zeigt, dass Anlegen von einfachen moralischen Maßstäben auch ein Privileg des Geldes, Zugangs und der Bildung ist.
Good Sex, Kampnagel
Sie ist in diesem Geschäft nur eine Show, um den neu gewonnenen Diskursen Rechnung zu tragen. Denn der Laden muss laufen, der Film muss schnurren, das Publikum muss unterhalten werden. So lebt dieser Abend eher von dem beherzten und beeindruckenden Engagement, der Spontaneität und Professionalität der beiden Schauspieler:innen als von der inhaltlichen Tiefgründigkeit des Projektes von Dead Centre unter der Regie von Ben Kidd. Es macht eher die Oberflächlichkeit dieses Geschäftes deutlich. Unterhaltsam, aber wenig aufregend.
Eurotrash, Kampnagel
Während Meyerhoff durchgehend dem Affen Zucker gibt, changiert Winkler gekonnt zwischen gespielter Hilflosigkeit, gezielter Manipulation, Boshaftigkeit und Lebensmüdigkeit. Sie ergeben zusammen ein skurriles Pärchen, das sich wenig schuldig bleibt.(Foto: © Fabian Schellhorn)
Searching for William, Kampnagel
Dieser Abend wird kaum jemanden kalt lassen, er bescherte viele Gänsehautmomente, wenn man sich ihnen hinzugeben vermochte. Denn Friedel ist ein Ausnahmetalent. Hier steht ein Vollblutschauspieler, -sänger und -musiker auf der Bühne und stellt seine umfänglichen Talente voll in den Dienst von Shakespeare und seiner Dichtkunst. Das ist Kunst, die sich nicht scheut zu unterhalten. Standing Ovations am Schluss des Gastspiels im Rahmen des Hamburger Theaterfestival auf Kampnagel.(Foto: Lutz Michen)
It's a Mass, Kampnagel
So ist ein fast dreistündiges Mattentraining entstanden, das von der großen Persönlichkeit der Beteiligten lebt. Hier dürfen genau das tun, was der Meistersänger Jonas Kaufmann so vollmundig in seinem vorangestellten Werbevideo verkündete: Sei einfach du selbst. Doch genau das geht im herkömmlichen Opernbetrieb nicht. Deswegen braucht es solche Formate wie „It’s a Mass“, das den Finger in die Wunden legt. Wenn es dann auch noch unter der Regie von Kerstin Steeb so unterhaltsam umgesetzt wird, umso besser.
Sense of Wonder; Kampnagel
Vier Personen dringen in die Zone vor. Doch dieses Mal nicht in ein lebensgefährliches Gebiet sondern in eine abenteuerliche Landschaft, in der die üblichen Naturgesetze aufgehoben scheinen. Sie wollen wieder gemeinsam Neues erleben, das sie in einen Zustand des kindlichen Staunens versetzt. So wie Kinder alle Erfahrungen zum ersten Mal machen und aus dem Staunen nicht heraus kommen, so dringen die Vier gemeinsam in diese Zone des Staunens voran.
Love Project, Kampnagel
Maria Zimpel verlässt sich ganz auf die Sprache der Bewegung. Sie wagt es, der Kraft der Schönheit zu vertrauen, um ihre Botschaft zu vermitteln. Dadurch verströmt ihre beeindruckende Arbeit eine Energie, der man sich nicht entziehen kann.
Kyiv 2030 - Odyssee 2023, Kampnagel
Herausgekommen ist eine sehr eindrückliche und persönliche Performance. Das lag nicht nur an den selbst geschriebenen und erarbeiteten Texten, die sie dafür verwendeten, sondern auch an den Künstler:innen selbst. Allesamt sind sie sehr ausdrucksstarke Persönlichkeiten, die viel zu erzählen haben und darüber hinaus über eine hohe Bühnenpräsenz verfügen. Jeder Schritt, jede Mimik, jede Gestik, jede Bewegung zeugt von hoher Professionalität.
Orfeo!, Kampnagel
Ein großes Projekt, in dem die Regisseurin Sandra Strunz erfolgreich die Genregrenzen überwunden hat und sie zu einem ineinander greifenden Ganzen auf der Bühne verbindet. (Foto: Julia Kneuse)
TUTTO BRUCIA, Kampnagel
Für all dies finden die beiden Darstellerinnen, die in jeder Hinsicht beeindruckende Ausnahme- Schauspielerin Silvia Calderoni und die feinnervige Tänzerin Stefania Tansini, wunderbar eindrückliche intensive Bilder der Angst, der Verzweiflung, der Trauer, der Wehmut und des Schmerzes aber auch des Aufbegehrens. Die Musik von Francesca Morello (R.Y.F.), die vereinnahmende Melodien zu eingängigen Texten als Soundtrack live auf der Bühne performt, ist dazu so bezwingend, dass die Zuschauer:innen förmlich in das Alptraumszenario auf der Bühne hineingesogen werden.
Verrückt nach Trost, Kampnagel
Ein tief schürfender Abend, der von allem etwas hatte, von Klamauk und Ernst, von Humor und Tiefgang, von Tieren und Menschen, von Albernheit und Philosophie. Und obendrein ein Fest der Schauspielkunst. Was will man mehr von einem Theaterabend?© Armin Smailovic
GEMeinsam, Kampnagel
Nupen zeigt hier eine Arbeit, in die die Erfahrungen der Coronazeit mit eingeflossen sind. Waren wir da nicht alle hinter Glasscheiben, Plastikplanen und Bildschirmen abgeschirmt und oft auf die projizierten Bilder voneinander angewiesen? Eine Zeit, in der die Einsamkeit, die sowieso ein Kennzeichen unserer individualistischen, globalisierten und flexiblen Lebenswirklichkeit geworden ist, noch verstärkt hat.
Kanon, Kampnagel
Erzählte Erinnerungen erzeugen keine Berührungen, nur wer einzelne Theatermomente ebenfalls erlebt hatte, dem werden diese Gedächtnishilfen helfen, sie weiterhin bewahren zu können. Also eher ein elitärer Abend für Theaternerds.
Sacrifice, Dada Masilo, Kampnagel
Das Publikum in der bis auf den letzten Platz gefüllten K6 zeigt sich bei dem Gastspiel zum 40jährigen Jubiläum der Kampnagel-Hallen absolut begeistert und feierte die Tänzer:innen mit jubelndem Applaus.
A Divine Comedy, Kampnagel
Man denkt eher an Stuntshow, an Zirkus, an Sportwettbewerbe als an das Lebensende. Einzig wenn die über achtzigjährige ehemalige Tänzerin Beatrice Cordua im Rollstuhl auf die Bühne geschoben wird, gibt es echte Momente der Rührung.
Magical and Elastic, Kampnagel
Sechs einsame Menschen, die versuchen eine Struktur für das Leben, für ihren Auftritt, für ein Zusammenkommen, für eine Kommunikation mit dem Publikum zu bekommen. Leider alles vergeblich. Auch das letztere. Schade, das Experiment hätte auch klappen können.
UGLY Part 3: BLUE, Kampnagel
The alien will not perform", hat er sich und dem Publikum zuvor minutenlang geschworen. Seine Absage nach die Erfüllung der Erwartungen, die an ihn gestellt werden, macht ihn endlich frei und angekommen.
Trouble, Kampnagel
ieses Musicalbiopic versucht eine seltsame Mischung aus akribischer Recherche mit Daten und Jahreszahlen und romantischer Verklärung. Spätestens wenn Truman Capote und Andy Warhol sich im Himmel wieder treffen, ahnt man aber, dass auch hier nicht alles ganz faktenbasiert gemeint sein wird.
Marrugeku, Straight Talk, Kampnagel
Doch die australische Compagnie Marrugeku unter der Leitung von Dalisa Pigram und Rachael Sawinhat ein deutliches Anliegen: Sie will mit ihrem Stück Rassismus und Polizeigewalt in Australien anprangern.
Women Of The Seven Seas
Was sich hier vor dem Publikum abspielt, darf den Vergleich mit Blockbustern nicht scheuen, erfordert aber mehr Fantasie sowohl von den Macherinnen wie auch von den Zuschauenden. Denn alle Bilder werden in liebevoller Bastelarbeit in kunstvoller Überblendungstechnik selbst hergestellt. Das macht beim Zugucken viel Spaß und hat dennoch eine klare Botschaft: Frauen aller Weltmeere vereinigt euch!
Socalled & Friends, 4th Season
Ein sehr sympathischer Abschluss der Vierten Saison mit der Hoffnung einer Fortsetzung mit anderen Protagonisten, damit die Entspannung ganz ohne intellektuelle Anstrengung auch auf dem Sommerfestival nächstes Jahr nicht zu kurz kommt.