Die Kunst der künstlichen Intimität

Good sex, Kampnagel Ste Murray



Eine Intimitätskoordinatorin, was ist deren Aufgabe? Eigentlich leitet sie auf Filmsets die Intimszenen der Darsteller:innen an und sorgt dafür, dass die gezeigte Intimität realistisch herüberkommt ohne real zu sein. Doch sie soll auch sicher stellen, dass sich die Schauspieler:innen wohl fühlen, achtsam miteinander und mit sich umgehen. So erzählt es die Frau, die hier das Skript in der Hand hat. Sie wird diesen Abend die Intimität koordinieren. Und zwar nicht auf dem Filmset sondern auf einer Theaterbühne, mit dem anwesenden Publikum. So erläutert sie zunächst also diesem, dass auch es selbst jederzeit für sich den Zeitpunkt definieren könne, an dem es ihm zuviel werde. Sie zeigt vorsorglich die verschiedenen Notausgänge. Doch sooft sie es auch ihm zu seinem bewiesenen Mut zum Risiko gratulieren wird, für das Publikum besteht an diesem Abend keines. Nur für die beiden Gast-Schauspieler:innen, die für jeden Aufführung neu eingeladen werden, ist das Risiko ein durchaus veritables: Sie kennen das Stück nicht und wissen nicht, was sie an diesem Abend erwartet. Dennoch sind sie es, die an diesem Abend auf der Bühne "Good sex" haben sollen, wie der Titel verrät. An diesem Abend sind es Lisa Hagemeister und Bardo Böhlefeld. Ihren Text bekommen sie über Kopfhörer eingeflüstert und springen so in die Rollen des Ex-Liebespaars, das sich nach etlichen Jahren in ihrer alten gemeinsamen Wohnung wieder begegnet und die Möglichkeit eines Neuanfangs beleuchtet. Da gibt es etliche Gelegenheiten, an denen die Intimicy-Direktorin in die Szene hineinspringt und die Handlung unterbricht, um ihren Job zu machen. Sie dirigiert die einzelnen Körperbewegungen der Beiden und versucht so eine Intimitätsglaubwürdigkeit herzustellen. Dennoch hat man eher das Gefühl, dass die beiden Profis sie alleine besser hinbekommen hätten. Denn Hagemeister und Böhlefeld machen ihre Sache prima. Doch die Story ist dünn und die Anweisungen der Direktorin stellen nichts in Frage. Ihr eingestreutes Training zum Nein-Sagen ist klar eine Farce. Achtsamkeit taucht hier nur vordergründig auf. Sie ist in diesem Geschäft nur eine Show, um den neu gewonnenen Diskursen Rechnung zu tragen. Denn der Laden muss laufen, der Film muss schnurren, das Publikum muss unterhalten werden. So lebt dieser Abend eher von dem beherzten und beeindruckenden Engagement, der Spontaneität und Professionalität der beiden Schauspieler:innen als von der inhaltlichen Tiefgründigkeit des Projektes von Dead Centre unter der Regie von Ben Kidd. Es macht eher die Oberflächlichkeit dieses Geschäftes deutlich. Unterhaltsam, aber wenig aufregend.

Birgit Schmalmack vom 28.8.23