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Hamletmaschine
Elias Macke
Unsere Idee der Inszenierung ist es, die Hamletmaschine tatsächlich als Maschine umzusetzten, anstatt den Wunsch Hamlets eine Maschine sein zu wollen durch Schauspieler sprachlich in den Raum zu stellen. Die Inszenierung beruht auf einem Wechselspiel von Videoprojektion und kinetischer Maschinenkörpern. Untermalt werden die Szenen von bizzaren Soundcollagen sowie poetischen Lichtkompositionen.
Bei dem Ensemble handelt es sich um eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Leuten, die zusammen eine Umsetzung der Hamletmaschine nach Heiner Müller mit der Ausdrucksform des Maschinentheaters erarbeitet haben.

Die Hamletmaschine

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Hamletmaschine ist ein von dem deutschen Dramatiker Heiner Müller geschriebenes Theaterstück. Der nur 9 Seiten umfassende Text entstand im Rahmen einer Übersetzung von William Shakespeares Stück Hamlet. Das Stück "reflektiert in freier Anlehnung an Shakespeares Vorlage die Situation des Intellektuellen in der DDR"[1].

Die Hamletmaschine entstand im Jahre 1977, nachdem Müller zunächst eine eigene Übersetzung des Shakespeare-Stückes verfasst hatte. Die Uraufführung fand 1979 im "Théatre Gérard Philipe" in Saint Denis bei Paris statt. In der Hamletmaschine ist von den traditionellen fünf Akten des Theaters nur noch ein grobes Gerüst vorhanden, in das sich einzelne, grausame und von schockierender Sprache geprägte Bilder einfügen, die scheinbar jeden Zusammenhangs entbehren und viel Raum für Interpretationen mit unterschiedlichem Ansatz lassen. Kennzeichnend für dieses Stück ist, dass Müller es seinem Hamlet gestattet, hin und wieder aus seiner "Rolle" herauszutreten und als "Schauspieler" zu sprechen.

Die Hamletmaschine wird wegen der schwierigen Umsetzung der Bilder nur selten aufgeführt.

 

Inhalt [

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Szene 1 [

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In der ersten Szene, "Familienalbum", spricht Hamlet voller Hass auf sich selbst im besonderen und die Welt im allgemeinen von dem Staatsbegräbnis seines Vaters, dem er als Beobachter und schließlich als Agierender beigewohnt hat. Hamlet zerteilt die Leiche seines Vaters und verteilt sie an die hungernden Elendsgestalten, da sein Vater ein "Grosser Geber von Almosen" war. "Ich stoppte den Leichenzug, stemmte den Sarg mit dem Schwert auf, dabei brach die Klinge, mit dem stumpfen Rest gelang es und verteilte den toten Erzeuger FLEISCH UND FLEISCH GESELLT SICH GERN an die toten Elendsgestalten."

Mutter und Onkel, der Mörder des Vaters, sind inzwischen ein Paar. Hamlet schlägt ihnen vor, sich auf dem Sarg des Vaters zu vereinigen. Dann erscheint der Geist seines Vaters, den er ebenfalls verachtet. "Hier kommt das Gespenst, das mich gemacht hat, das Beil noch im Schädel. Du kannst den Hut aufbehalten, ich weiß, daß du ein Loch zuviel hast." Auch für sich selbst hat er kein gutes Wort, denn es geht weiter mit den Worten: "Ich wollte, meine Mutter hätte eins zu wenig gehabt, als du im Fleisch warst. Ich wäre mir erspart geblieben. Man sollte die Weiber zunähn, eine Welt ohne Mütter."

Als sein Freund Horatio auftritt, verlässt Hamlet kurzzeitig die Ebene des Theaterspielens und spricht als Schauspieler. Seinen Freund schickt er fort mit den Worten: "DU KOMMST ZU SPÄT MEIN FREUND FÜR DEINE GAGE/KEIN PLATZ FÜR DICH IN MEINEM TRAUERSPIEL". Schließlich schlägt er vor, seine Mutter wieder zur Jungfrau zu machen, indem er ihr das Kleid zerreißt und sie vergewaltigt. Denn dann könne sie in ihre Hochzeit gehen.

Hier wird Hamlet also vom Akteur, dem die Menschheit wegen ihrer Gewalttaten verhasst ist, selbst zum Gewalttäter, auch wenn er sein Handeln zunächst im intellektuellen Diskurs mit sich selbst hinterfragt.

Szene 2 [

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In der zweiten Szene betitelt mit DAS EUROPA DER FRAU, lässt Müller Ophelia auftreten, die "aufgehört hat, sich zu töten" und von der Opferrolle in die Rolle der Rächerin schlüpft. Sie zertrümmert die Einrichtung des Zimmers und zerreißt die Bilder der Männer, denen sie sich hingegeben hat, danach ihr Kleid. Schließlich reißt sie sich das Herz aus der Brust und tritt "gekleidet in ihr Blut" auf die Straße.

Szene 3 [

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In Szene 3, dem "Scherzo", treffen Hamlet und Ophelia aufeinander. Hamlet muss sich in der Universität der Toten dem Ballett der Toten und den toten Philosophen stellen, die ihn mit ihrem Wissen, den Büchern bewerfen. Ophelia fordert ihn auf, ihr Herz zu verspeisen, was Hamlet mit den Worten kommentiert, er wolle eine Frau sein. Diese Vorstellung wird grotesk überzogen, indem er Frauenkleider anlegt und von Ophelia eine "Hurenmaske" aufgeschminkt bekommt. Schließlich tritt erneut Horatio auf und tanzt mit Hamlet.

Szene 4 [

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In Szene 4, "Pest in Buda Schlacht um Grönland", verlässt Hamlet endgültig die Ebene der Figur und spricht als Schauspieler. Er legt Hamlet das Kostüm und die Maske ab und deklariert, dass er nicht Hamlet sei. "Mein Drama findet nicht mehr statt [...] Von Leuten, die mein Drama nicht interessiert für Leute, die es nichts angeht. [...] Ich spiele nicht mehr mit." Er erklärt, im zerstörten Standbild seines Vaters hause jetzt die ärmere Bevölkerung. Hamlet beschwört im Geiste einen blutigen Aufstand des Volkes. Er selbst wird jetzt wieder zum Hamlet, der als Adliger "auf beiden Seiten der Front, zwischen den Fronten, darüber" steht. "Tritt in die Rüstung. Spaltet mit dem Beil die Köpfe von Marx Lenin Mao".

Szene 5 [

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In Szene 5 beschwört Ophelia die totale Vernichtung der Welt, "ich ersticke die Welt, die ich geboren habe zwischen meinen Schenkeln", während sie von Männern in Mullbinden geschnürt wird und schließlich wieder als Unterdrückte allein auf der Bühne zurückbleibt.

Hamletmaschine
www.hamburgtheater.de
Die Maschine atmet
Endlich haben Theatermacher Heiner Müllers Hamletmaschine einmal wörtlich genommen und den Text als Theatermaschine in Szene gesetzt. Auf der MS Stubnitz fanden sie den perfekten Aufführungsort in Hamburg dafür. Passgenau hatten die Künstler-Schar unter der Federführung von Elias Macke ihren Aufbau aus Fachwerken zwischen den Mast und die Dachluke auf Oberdeck gesetzt.
Schwer atmet der große Brustkorb aus Schützrippen. Das Herz des Weltgewissens schlägt noch. Der Machthaber, dessen Gesicht sich durch eine Drehung verändern kann, plustert sich auf. Hamlet erscheint als Filmaufnahme auf dem Regenvorhang, der beständig aus den Verstreben der Fachwerkbrücke hernieder prasselt. Er spricht voller Verachtung von dem Staatsbegräbnis seines Vaters. Noch auf dem Grab sah er den neuen König und seine eigene Mutter ihre Vereinigung in einem sexuellen Akt besiegeln. Hamlet hadert mit sich, welche Rolle ihm als intellektueller Wächter nun zufällt. Soll er zur Gewalt greifen und seinen Vater rächen?
Eine gealterte Ophelia nimmt seinen Platz auf dem Regenvorhang ein. Sie weiß im Gegensatz zu Hamlet, dass sie nun vom Opfer zu Täterin werden wird. Sie will aufbegehren und nicht länger passiv verharren.
Ganz wie im Müllerschen Original kommt es in der dritten Szene zu einem Tanz. Doch hier wird er statt von Schauspielern von hydraulisch ferngesteuerten Puppen übernommen. Die erste ist unschwer als Ophelia zu erkennen, denn sie hat sich aus dem Wasserbassin mühsam in die Aufrechte hocharbeiten müssen. Eine weitere Figur besteht dagegen nur aus einem männlichen Unterkörper, die letzte aus einem weiblichen Oberkörper.
Hamlet wird klar, auch er muss handeln. Er ruft zu Aufbegehren gegen die Herrscher auf, in welcher Gestalt sie auch auftreten mögen. Auch die Mittel der Gewalt schließt er nicht mehr aus.
Der Bundesadler macht sich bemerkbar. Hoch oben über der Szenerie schüttelt er seinen Kopf und schlägt seine Flügel. In der letzten Szene liegt das atmende Herz in den letzten Zügen. Haben die Machthaber gesiegt, als ein letztes Pfiepen seinen Tod meldet?
Eine technisch perfekte Performance wurde den bunt zusammen gewürfelten Zuschauern an Bord der MS Stubnitz geboten. Der textliche Inhalt wurde bei all der Liebe zum technisch perfekten Detail keineswegs außer Acht gelassen. Noch intensiver wäre dieser Eindruck sicherlich gewesen, wenn die Schauspieler leibhaftig aufgetreten wären. So musste ihre Leistung hinter der der live arbeitenden Maschinen zurück stecken.
Ein außergewöhnliches Theatererlebnis, das den schwierigen Text von Müller auf neue Art erfahrbar machte.
Birgit Schmalmack vom 13.7.11