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Die Ausstellung meiner Erbstücke

„Meine Hände und meine Füße habe ich von meinem Vater. Meine Hüften und meinen Po von den Frauen in meiner Familie. Meine Nase ist ziemlich schief und nicht schön, aber ich mag sie trotzdem, denn ich habe sie von meinem Großvater.“ Juliana Oliveira steht in der Mitte des Raumes, in dem Kästen zum Teil bis an die Decke gestapelt sind, und archiviert ihr Erbe. Unter die familiären Vermächtnisse mischen sich weitere. Auch von Annika, Matti, Verena, Jonas und Grete habe sie etwas vererbt bekommen. Denn im Laufe ihres Projektes "Ruins" wurde sie zur Begünstigten in 11 Testamenten von noch lebenden Personen.
So schenkte ihr Nora einen Tanz, den sie sogleich vorführt. Ein anderes Testament vermachte ihr eine Übung zur inneren Stärkung. Die Kraft der beschwörenden Worte erfahren die Zuschauer im gemeinsamen Chorsprechen, während Oliviera ihnen die Hocker unter dem Hinern wegzieht. Matti wollte ihr eine Bergtour vermachen. Doch sein Vermächtnis war leider ungültig, da er es nicht eigenhändig geschrieben hat. Aus der Bergtour wird nichts. Zum Symbol für die das zerborstene Vermächtnis wird eine Tasse, die sie mit einem Hammer zertrümmert und zwei Hälften auf eine Holzleiste schraubt. Akkuschrauber, Hammer, Standbohrmaschine, alles kommt live zum Einsatz, während sie von dem Ringen um eine gemeinsame Lösung erzählt. Eine Erinnerungsstück der Unvollkommenheit ist fertig, sie vererbt es sogleich an einen Zuschauer.
Ein Erbe musste sie ausschlagen. Ihre Begründung fällt ebenso lang aus wie das Testament und zeigt gleichfalls eine Vorliebe für Listen wie dieses. Oliviera verzichtet auf die vererbte Liebe zu etymologischen Wörterbüchern und zu deutschen Gedichtszyklen und bietet stattdessen ein brasilianisches Poem an.
Eine grauhaarige Perücke war ein weiteres Erbstück. für Oliviera, die sich stets so sehnlich langes lockiges blondes Haar gewünscht hat. Nur mit Perücke und Slip bekleidet wird daraus der witzige Tanz eines kopf- und armlosen Haarwesens, das sich nur auf seinen dünnen Beinen fortbewegt. Jonas vererbte ihr seinen evangelischen Glauben und fordert bei Erbantritt im Gegenzug eine Totenfeier. Oliviera fängt sogleich an einen Choral einzuüben. Sie singt noch, als sie schon längst in den großen Koffer eingefaltet hat.
In ihrem Wunschtraum am Schluss vereinigt sie all ihre Erbstücke als Schattentheater zu einer Lebens-Lieblingserzählung.
Oliviera ist eine souveränes Allroundtalent. Sie schreibt ihre eigenen Texte, tanzt, spielt und singt. Sie ist in jedem Moment glaubwürdig. Sie bewegt sich souverän auf dem schmalen Grad der Authentizität beim Spiel mit Wahrheit und Fiktion. Alles fließt ineinander und macht den Abend zu einem vielschichtigen, anregenden und interessanten Gedankenexperiment über das Teilen, Vermachen, Weitergeben und Weiterentwickeln. Ihr mit Überraschungen gespickten Umgang mit Theaterformen steht im reizvollen Kontrast zur restriktiven Form eines offiziellen Testaments mit Eröffnung durch einen Notar. Ein Abend, dessen Geschichten und Bilder dem Zuschauer noch lange im Kopf bleiben.
Birgit Schmalmack vom 5.7.16



Altonale
Privattheatertage

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