Poetische Distanzvermessung

In diesen Zeiten Nähe zu erfahren, ist ein schwieriges Unterfangen. Immer bleibt eine Distanz. Man bleibt auf Abstand. Wie man zwei Menschen sich trotzdem näher kommen können, untersuchen nun cie.kinoun imAckerstadtpalast. Mit zwei Türblättern messen sie die Distanz zwischen sich selbst und dem Gegenüber sorgsam aus. Was hält uns auf Abstand? Was definiert unsere Nähe? Wie konstituiert sich unsere Sichtweise auf die Welt und unser Gegenüber?

Die zwei weißen, schlichten, aber sehr stabilen Türblätter werden zu ihrem Mittel der Distanzmessung. Während der gut einstündigen Performance benutzen sie sie sehr erfindungsreich zu allem Möglichen. Mal als Wippe, mit dem sie ein Glas Wasser hin und herwandern lassen könne. Mal als Trennwand zwischen ihnen, mal als Schaukelbrett, mal als Insel, mal als Skateboard, mit dem man sich auf dem Boden bewegen kann. Nach dieser langwierigen Aushandlungsprozessen und vertrauensbildenden Maßnahmen kreieren sie zum Schluss ziemlich umständlich eine Apperatur aus den beiden Brettern und zwei Stühlen, um beim verlöschenden Saallicht endlich aufeinander zurutschen und sich in der Mitte treffen zu können.

Ein wundersam poetischer, humorvollen und hintergründiger Tanzabend ist den beiden Performenden Valeria Busdraghi und Jannis Polyzos mit "The other side" gelungen. Einerseits diese besonderen Zeiten reflektierend und andererseits universell als Geschichte einer Zweierbeziehung lesbar. So wird jede*r der Zuschauenden während des Abends seine eigene Version im Kopfkino gesehen haben.

Birgit Schmalmack vom 5.7.21