Großes Kino auf der Bühne

Ein Crash auf der Autobahn und der Fondmanager (Alexander Wipprecht ) findet sich auf der Reha-Station zwischen den "Goldfischen" wieder. Als er sich ohne Vorwarnung von einer Sekunde auf die nächste im Rollstuhl wiederfindet, weil er durch den Unfall querschnittsgelähmt geworden und damit zu den "Behindis" gehört, wie er es selbst nennt. Franzi, die junge Frau mit Down-Syndrom, will er kurzerhand zu seiner Assistentin umfunktionieren, und das W-Lan im Therapiezimmer für seine Zoom-Sitzungen ausnutzen. Doch da hat er die Rechnung ohne die Goldfische und die Sozialpädagogin Laura gemacht. Gegen die starken Persönlichkeiten des gehörlosen Rainman (Benjamin Piwko), des Autisten Michi (Sascha Schicht), der blinden Magda (Claudia Carus ) und der Glamour-verliebten Franzi ist selbst ein erfolgverwöhnter Businessman machtlos.
Wie die Comödie Dresden mit blitzschnellen Bühnenraum- und Szenenwechsel, mit effektiven Lichteinsatz und mit exzellenten Ensemble aus dem Kinoerfolgsfilm "Die Goldfische" eine Bühnenversion entwickelt, ist schon sehenswert. Laut zahlreicher, im Publikum im Winterhuder Fährhaus vertretenen Expert:innen, kann sie mit dem Film mithalten. Und das ist ein ausdrückliches Lob wert. Die Darsteller:innen auf der Bühne brauchen den Vergleich mit ihren filmischen Vorbildern nicht fürchten. Zumal eine von ihnen sowohl im Film wie auf der Bühne ihre Frau steht. Luisa Wöllisch ist eine selbstbewusste, kecke, witzige und furchtlose Franzi, die selbst Oliver manchmal sprachlos macht. Sie kriegt genau den Glamour, den sie sich gewünscht hat. Und Oliver bekommt dafür seine Dosis Ethikunterricht dazu. Am Ende ist ihm tatsächlich die bisher einzige Antriebsfeder in seinem Leben, das Geld, nicht mehr so wichtig. Dass diese Botschaft in keinster Weise moralinsauer daherkommt, ist der große Verdienst des Drehbuchs von Alireza Golafshan und der Umsetzung durch den Regisseur Christian Kühn. Das ist eine Komödie, bei der man sich in keiner Weise dafür schämen muss, sich prächtig amüsiert zu haben. Denn man amüsiert sich allerhöchstens über seine eigenen Vorurteile, aber nie über die Menschen auf der Bühne. Das liegt auch zum großen Teil daran, dass hier nicht Menschen mit Beeinträchtigungen gespielt werden, sondern ihre Vertreterinnen selbst mit auf der Bühne stehen.
Birgit Schmalmack vom 11.7.23