Saalslam, Heimathafen



Sprachkünstler im Kurzformat

Die Schlangen vor den Heimathafen sind lang. Nicht alle werden eine Karte bekommen. Der Saalslam zieht nicht nur seine Fangemeinde sondern auch etliche Neulinge an, wie die beiden Moderatoren bei einer Kurzumfrage feststellen.
Fünf Minuten haben die Slamer jeweils Zeit, um ihr Publikum mit ihren Texten zu beeindrucken. Per Chip dürfen die Zuschauer dann abstimmen. Unter den vier, die in die zweite Runde kommen, wird der Gewinner per Applausstärke ermittelt.
Josefine findet, dass die heutigen Jugendlichen die besten Träumer seien. Tagsüber gehen sie auf die Barrikaden und abends schlafen sie mit Hörspielkassette und Teddybär ein. Das Duo Slum Dog Millionare aus Felix und Malte amüsiert ihr Publikum mit ihren rasanten Sprachspielereien über die Tourette-Babette und andere Kuriositäten der Großstadt. Robert gibt der Minderheit der Mathematiker eine Stimme und lässt sich als solcher über seine Schwierigkeiten in der Kommunikation mit seiner Freundin aus. Jon erzählt in einer kuriosen Kurzgeschichte von einem Wellensittich im Drogenrausch, der so gerne ein Spatz wäre. Hubert bietet zwei Gedichte zu Jungfrauen und Neukölln an. Karsten begeistert mit seinem Naturhassgedicht, in dem er Wald und Meer lustvoll verwüstet. Paul trauert seinen verschwundenen Helden der Kindheit hinterher. Thomas berichtet in seiner traurig-schönen Gedicht-Trilogie vom Leben einer Selbstmörderin. Stoffe aus Hannover würde so gerne ein Vogel sein, um sich von all dem Dreck am Boden abheben zu können.
In die zweite Runde kamen Josefine Bergholz, Paul Weigel, Slam Dog Millionare und Karsten Lampe, von denen letzterer zum ersten Sieger gekürt wurde. Doch die Applausstärkenmessung ist ein unsicheres Mittel, deshalb wurde auf die Ermittlung eines zweiten Sieger klugerweise verzichtet und die Gewinnerflasche Wodka einfach herumgereicht.
Kein Wunder, dass der Andrang für den Saalslam so groß war; das Niveau der Beiträge war durchgehend hoch. Die Vortragenden waren bis auf wenige Ausnahmen echte Showkünstler im Darbieten ihrer Texte. Mit verschiedenen Dialekten, Tonlagen, Tempi, Pausen und Gesangseinlagen brachten sie ihre Gedichte, Raps und Geschichten bestens zur Geltung. Hier hat sich eine Textkünstlerszene aufgetan, die beweist, dass das Spiel mit der Sprache wieder ein Live-Erlebnis ist, das die Leute zu faszinieren versteht. Bei einem Qualitäts-Niveau wie im Saalslam kein Wunder!
Birgit Schmalmack vom 17.7.12