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Invisible Hand, English Theatre

The invisible hand, English Theatre

© Stefan Kock

Alles eine Frage von Macht und Geld


Woran glauben wir hier im „Westen“ der Welt? Was ist uns bedeutsam, vielleicht sogar heilig? Mit diesen Fragen konfrontiert der pakistanische Imams Saleem nicht nur den Trader Nick sondern auch das Publikum. Für den Imam scheint die Frage klar zu beantworten. Er kämpft für die gute Sache, Zumindest zunächst. Um für sein Volk Geld zu gewinnen, wurde Nick gekidnappt. Doch niemand zahlt für ihn die erwünschte Summe. In seiner Not schlägt Nick dem Iman einen Deal vor: Er könnte mit seinen Finanzgeschäften die geforderten 10 Millionen beschaffen. Mit anderen Worten: Lebend sei er selbst für seine Kidnapper Geld wert. Er bekommt statt eines Laptops Bashir an die Hand. Der junge Mann ist in London aufgewachsen und nach Pakistan gegangen, um sich dem Kampf dort anzuschließen. Auch er weiß genau wofür er kämpft. Nun wird er von Nick in den Finanzmarkt eingeführt. Es entwickelt sich eine Arbeitsbeziehung zwischen den beiden Männern. Bashir erfährt, wie sich Nicks Prognosen bewahrheiten und viel Geld in die Kasse des Imans spülen. Und wieder von dort verschwinden. Bashir hat einen Verdacht und handelt. Zum Schluss ist Nick wie versprochen ein freier Mann. Doch draußen vor seiner Gefängniszelle explodieren die Raketen. Überall sei Blut auf der Straße, er solle vorsichtig sein, empfiehlt Bashir noch, als er ihm die Tür öffnet.

Das Stück von Altar ist kein Wohlfühlstück. Es ist ein Thriller, der die Personen ständig zwischen Tod und Leben stehen lässt. „Bei uns sterben alle, warum nicht auch du?“, provozieren seine Bewacher Nick immer mal wieder. Der Westler, der mit den Unruhen anderer Länder Geschäfte macht, wird hier gnadenlos vorgeführt. Seine vermeintliche Macht ist schnell nichts mehr wert und seine Schwäche tritt unmissverständlich zu Tage. Er merkt, dass auch die Islamisten verführbar sind. Je mehr Geld sie gewinnen, desto größer wird die Versuchung, zu immer fragwürdigeren Mitteln zu greifen. Wenn Bashir zum Schluss in der Kleidung des Imans auftritt, ahnt man, dass auch er korrumpierbar sein könnte.

Wer sind hier die Guten, die Moralischen? Wer ist hier das Opfer, wer die Täter? Die Antwort auf diese Frage scheint am Anfang sehr klar, doch verschwimmt im Laufe des Abends immer mehr. Indem sich die Männer immer mehr miteinander beschäftigen, nähern sie sich an und scheinen immer ähnlicher zu werden. Doch wirkliches Verständnis für den Anderen bleibt eine Leerstelle. Letztendlich: Alles eine Frage der Macht und des Geldes.

Die Inszenierung von Clifford Dean setzt ganz auf seine drei Hauptdarsteller. Lee White als Nick nimmt man den verängstigten Todeskandidaten, der alles tut, um am Leben zu bleiben in jedem Moment ab. Er führt in seinem Spiel durch alle Gefühlszustände der Verzweiflung, der Hoffnung, der Todesangst und der Erkenntnis seiner Machtlosigkeit. Man fühlt mit ihm mit. Ismail Khan als Bashir macht mit seinem pakistanischen Londoner Akzent die Klassenunterschiede von vornherein deutlich. Er leidet unter der Diskriminierung, die er Zeit seines Lebens von den Weißen erfahren hat und die er nun an Nick auslassen kann. Er kann sie nun durch umso Härte gegenüber Nick ausspielen. Rohit Gokani als Imam gibt den jovialen Gutmenschen, der die Menschlichkeit selbst unter diesen Umständen zu bewahren will. Doch das ist nur Schein. Immer wieder spielt er seine Macht aus, um zu zeigen, von wessen Gnade das Weiterleben abhängig ist. Es braucht nicht mehr als eine Gefängniszelle, um einen hochspannend Psychothriller zu erzählen.

Das English Theatre macht aus dem gut geschriebenen Stück von Autor Ayad Akhta ein psychologisch fein justiertes Kammerspiel. Ein lohnenswerter Abend.

Birgit Schmalmack vom 8.9.25

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