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Pace pianto party
Barocke Lebensgefühle zwischen Lebenslust, Todessehnsucht und Jenseitsgewandtheit standen im Mittelpunkt der kontrastreichen Annäherung, die drei Regiestudenten (Felix Seiler, Alexander Keil, Jan Eßinger) in der Hochschule für Musik an einem Abend versuchten. Sie gelang virtuos, weil sie statt einer Fokussierung eine Collage aus drei ganz unterschiedlichen Blickwinkeln auf diese Zeit zuließ und so drei sehr unterschiedliche Zugänge erlaubte.
In der Mitte stand zur Musik von Purcell ein Festgelage, an dem das Publikum teilhaben sollte. An zwei langen Tischen durften die Mutigen unter ihnen mitten auf der offenen Bühne Platz nehmen und wurden mit einem riesigen Schweinebraten und weiteren Leckereien, die von den drei Sängern und einem Sprecher mundgerecht gereicht wurden, belohnt. Lasziv räkeln sich die Vier in ihren roten Gewändern am Tisch, treiben ihre herben Spielchen, philosophieren über die beste Behandlung der „Hinterloches“, essen und trinken bis zum Umfallen und fallen je nach Lust nebenbei übereinander her. Parallelen zur Jetztzeit sind wohl vom Regisseur nicht unerwünscht.
Umrahmt wird dieser aktionsgeladene Teil von dem ersten, in dem das Leid der Maria zu Battista Ferrandinis Kantate „Il pianto di Maria“ besungen wird. In einem weißen Kasten ist die Sängerin ebenso gefangen wie in ihrer Trauer. Nur wenn sie austritt und zur distanzierten Erzählerin wird, kann sie eine neue Perspektive einnehmen und zu einer modernen Frau werden, die ihren Stadtmantel anzieht und erhobenen Hauptes von der Bühne geht.
Der letzte Teil geht meditativ an die Arie „Affani del pensier“ von Händel heran. Nur ein Plattenspieler und ein kleiner Nachtkasten stehen auf der leeren schwarzen Bühne. Selbst die Musik fehlt. Keiner der Musiker des Orchester unter Leitung von Irina Hochman ist zu sehen. Bis die ersten Töne von der Schallplatte erklingen, hängt die Frau in dem blauen Kleid die die Bühne betritt minutenlang still ihren Gedanken und Erinnerungen nach. Dann erst stellt sie den Plattenspieler an. Händel ertönt blechern aus dem einen kleinen Lautsprecher. Erst als die Frau zu singen beginnt und sich dabei ihr blaues Kleid zerschneidet, geht die Musik sanft in die live gespielten Klänge des Orchesters hinter dem immer durchsichtiger werdenden, schwarzen Vorhang über.
Drei eindrucksvolle Arbeiten, die Mut zum ganz eigenen Stil beweisen.
Birgit Schmalmack vom 1.4.07