Nennen wir es Geld oder Liebe?



Es geht um Sorgearbeit, um Pflegedienstleistungen. Ein Thema, das gerade im letzten Jahr mehr in den Fokus gerückt worden ist als sonst, weil ihr Wert in Zeiten der Pandemie überdeutlich wurde. Doch außer Klatschen und warmer Worte hat sich wenig getan. Wenn sich nun ein ganzer Theaterabend dieser Problematik widmet, könnte man eine trockene Abhandlung, vollgepackt mit Fakten, Theorie und Forderungen erwarten. Das alles wurde zwar geliefert, aber im Zuge einer opulenten Feier der Sorgetragenden. Keine Kosten und gestalterischen Mühen wurden gescheut um ihnen einen angemessenen Rahmen zu verschaffen. Dabei wirkte die erste Szene noch zurückhaltend. Auf der wie gekachelt wirkenden Bühne tragen die drei Performer*innen ebensolche Kachelmuster-Kleidung, die sie perfekt in das sterile Krankenhausambiente einfügte. Auf der Videoleinwand hinter ihnen allerdings setzten sie lebendiges Grün in die Kachelräume, so lange bis hinter ihnen ein regelrechter Dschungel entstanden war. Doch so genormt das Outfit auch aussah, die Darstellerinnen, die in ihm stecken, sind schillernde Persönlichkeiten. Sind diejenigen die die Carearbeit meist verrichten, Frauen, so definieren sich die Schauspieler*innen nicht in so eindeutigen Kategorien und verhindern vorschnelle Zuschreibungen.
Während sie nun in immer neue Rollen der zum Thema interviewten Care-Arbeiterinnen schlüpfen, ist ständiger Kostümwechsel in stets passendem Videohintergrund angesagt.
Selbst wenn Theoretikerinnen zu möglichen Gründen oder Lösungen Auskunft geben, bleibt die Leichtigkeit erhalten. Nie werden die Personen oder Positionen ironisiert sondern nur die Haltung der Gesellschaft zu ihnen. Das liegt neben der opulenten Ausstattung auch an dem Jonas Maharis DJ Set aber vor allen Dingen an den Performenden. Alle drei sind schillernde Persönlichkeiten, die ihren Rollen neben dem Inhalt des Gesagten jeweils mehrere weitere Ebenen zu geben vermögen. Wenn Geraldine Schabraque über das Vatersein als Trans philosophiert. Wenn Gregor Schuster als homosexueller Mann über neue Modelle der Familie nachdenkt, wenn die Drag-King-Performerin Marilyn Nova White die Geburt als Muskelshow tanzt, dann ist das nicht nur äußerst kurzweilig sondern auch überaus anregend. Diesen Abend auch noch live im TD erleben zu dürfen, ist ein doppelter Genuss. Diese von Nachtkritik ausgezeichnete Arbeit von Anja Kerschkewicz und Felina Levits in der Reihe „Frauen und Fiktion“ aus dem Lichthof-Theater ist zu einem überaus intelligenten Diskursabend geworden, der auch noch riesigen Spaß macht.

Birgit Schmalmack vom 2.6.21