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Die Gier, ein Wesenszug des Homo sapiens

Volpone, Monbijou Foto: Monbijoutheater

Ben Johnson war ein Zeitgenosse Shakespeares, doch seine Stücke erinnern eher an die von Moliere. So hat er sich in „Volpone“ den Typus des Gierigen in all seinen Facetten vorgeknöpft und ihn nach allen Regeln der Kunst demontiert.
Volpone (Christoph Radakovits) verehrt seinen Gott, das Geld. Er berauscht sich an ihm, er vergnügt sich mit ihm. Er bewahrt es in einer großen Truhe auf, auf der er auch schläft. Nur auf seinem Geld findet er Ruhe. Geld zieht Geld an, diese Weisheit macht sich Volpone zu nutze. Er kann seinen Reichtum mehren, da er die Habgier der anderen allzu gut kennt und mit ihr zu spielen weiß. Sein Diener Mosca (Roger Jahnke) unterstützt ihn nach Kräften in seinen Ränkespielen, denn sein Wohlergehen ist direkt von dem seines Herrn abhängig. Im Gegensatz zu Volpone jedoch würde er das Geld am liebsten in der Welt verteilen.
Da marschieren sie nun alle auf, die Habgierigen, an denen sich Volpone zu bereichern weiß: Der glatzköpfige Rechtsverdreher, der schmierige Ehemann und die dickbäuchige alte Geldverleiherin. Volpone verfolgt stets dieselbe Strategie: Allen verspricht er sein Erbe, wenn sie ihm nur zuvor ein wenig finanzielles Entgegenkommen zeigen. Natürlich ist er kerngesund und täuscht seine Krankheiten nur vor.
Regisseur Frieder Venus nutzt dieses Stück als Fundgrube für eine Typenzeichnung, die Spaß an der Überzeichnung hat, um alle gnadenlos zu entlarven. Die Alte ist gerissen, der Richter sturzbetrunken, der pleite Ehemann eifersüchtig bis aufs Messer, der Jurist hinterhältig. Aktualisierungen, die sich angesichts von Finanzkrise, Börsenspekulationen und Immobilienblase in diesem Stück geradezu anbieten, streut Venus im Gegensatz zu seiner Inszenierung von vor 10 Jahren mittlerweile gekonnt ein. Bei der Sprache der einzelnen Typen erlaubt er sich die Aufpeppung durch etliche Slangwendungen. Nur die Zeichnung der beiden Hauptfiguren, Volpone und Mosca, ist eine völlig andere: Volpone ist als Österreicher der ewig Fremde in Venedig geblieben, der sich aufgrund seiner Herkunft sehr wohl seiner Außenseiterposition bewusst ist und eventuell auch deswegen so sehr auf seinen Geldbesitz setzen muss. Mosca ist sein überaus sympathischer Diener, der ihn allzu gerne zu ein wenig mehr Generosität überreden würde. So hat Venus seine damalige Inszenierung verschlankt und durch seine Sympathieträger in den Hauptrollen und seine Modernisierungen des Textes noch anschlussfähiger gemacht. Die Paralleleitäten zum heutigen "Geiz und Gier ist geil"-Trend machen den Stoff aktuell wie schon immer. Die Gier des Homo sapiens scheint einer seiner inne liegenden Wesenszüge zu sein, die die Grundlage für den heutigen Hyper-Kapitalismus in all seinen Verirrungen ist.

Birgit Schmalmack vom 21.7.13