Kollektiv Muse, Satellit

Kollektiv Muse
im Satellit-Pop-Up-Raum
Starker Eröffnungsabend
Die acht Künstlerinnen haben sich auf der Hamburger Schauspielschule Atrium kennen gelernt und wollen als Kollektiv Muse jetzt der Öffentlichkeit zeigen, was in ihnen steckt. Dazu sind sie in den „Satellit“ an der Mönkebergstraße gezogen. Ein wirklich passender Name für ihr kleines Festival, bei dem sie an sechs Tagen zeigen, wie groß ihr Talent, ihre Kreativität und ihre Energie ist. Der Eröffnungsabend, den eine von ihnen, Morenike Olalusi, gestaltete, gab eine beeindruckende Kostprobe ihres vielschichtigen Könnens. Sie hat den Text für ihre szenische Lesung mit dem Titel „ÌYÁ NLÁ“ (Große Mutter) verfasst, das Bühnenbild gestaltet und performt ihn zusammen mit einer Cellistin auf der länglichen Containerbühne.
„Captain speaking“, verkündet sie, als sie in einem aufsehenerregenden engen Häkelkleid über hautfarbener Unterkleidung langsam auf die Bühne schreitet. In ihrer Rede an die Zuschauenden nimmt sie sich den ganz großen Fragen der Menschheit an. Woher kommen wir, wohin sind wir unterwegs, kennen wir überhaupt unser Ziel? Und wer steuert uns? Meistens Männer, stellt sie fest. Das führt sie zu der Frage des Gender. Was macht das Weibliche aus, was das Männliche? Was war zuerst da? Das Geschlecht oder das System, das dieses geformt hat? Ein typischer Henne-Ei-Problem. Doch wohin führt uns das jetzt? Wir zerstören die Natur. Doch die wird uns überleben. Wir müssen sie nicht ihretwegen bewahren, sondern unseretwegen.
Für ihr Stück hat Olalusi nicht nur viele Bücher gelesen, sondern auch etliche Interviews geführt. Dazu pflückt sie während der Performance weiße Karten aus dem Zuschauerraum und liest einige Interviewpassagen vor. Hier kommen andere Positionen in ganz alltäglicher Sprache zu Wort. Da ist von Transphobie, von dem Fluch des Feminismus, dem Wunsch Mutter zu sein, der Angst vor sexuellen Übergriffen und vom Gefangensein in der weiblichen Rolle die Rede.
Olalusi hinterfragt in kurzen, wortgewandten, sprachspielenden Sätzen, die wie ein Gedicht anmuten, die altbekannten Weisheiten, die unsere Weltsicht so oft prägen. Sie streift dabei wie en passant alle wichtigen Aspekte der heutigen Zeit: Unterdrückung, Machtmissbrauch, Rassismus, Kapitalismus, Naturzerstörung. Kleiner macht sie es nicht. Im Kontrast dazu benutzt sie ihre Bühnenmittel sehr zurückhaltend. Das kann sie sich leisten, denn ihre Bühnenpräsenz hat auch so ihre Wirkung. In jeder noch so kleinen Geste liegt eine Kraft, die ihre Worte unterstreicht. Dabei ist dieses Stück nur ein „Work in Progress“, wie eine der Musen zu Beginn erläuterte. Und jetzt schon sehenswert. Ein starker Eröffnungsabend, der große Lust auf weitere Besuche im Satellit macht.
Birgit Schmalmack vom 8.10.25
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