hamburgtheater

..... Kritiken für Hamburg seit 2000

hamburgtheater

  • immer wieder mit einem Berlin-Special

Zuletzt gesehen...

Porneia, Thalia Ganz nebenbei werden an diesem Abend auch harte Fakten über die große Zahl an Femiziden in Deutschland eingestreut. Doch es überwiegt auf der schillernd bunten Bühne (Lani Tran-Duc ) eindeutig der Spaß. Es ist eine Komödie mit kritischen Seitenhieben auf das Patriarchat geworden, die Regisseurin Isabelle Redfern hier mit ihrem äußerst spielfreudigen Ensemble auf die Studiobühne im Thalia in der Gaußstraße gebracht hat. Man und frau darf sich also gut unterhalten fühlen. © Kerstin Schomburg

STRIPPING BOLERO, Kampnagel Es geht um Einfühlen, ums Beobachten, um Zuhören und Verstehen. Dafür sich Zeit zu nehmen und sich auf das jeweilige Tempo des Gegenübers einzulassen, bestimmte auch die Arbeitsweise des inklusiven Teams aus Blinden, Sehenden und Tauben. Um die Zugänge für alle gleichermaßen zu ermöglichen, unterschied sich nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch das Ergebnis. Denn auf der Bühne mischen sich tänzerische Elemente, audiodeskriptive Beschreibungen, poetische Texte und ausdrucksvolle Gebärdensprache zu einem innovativen Ganzen, das über einen üblichen Tanzabend hinausgeht. (Foto: Julian Baumann)

OST (Original Soundtrack), Lichthof Ihr Abend „Ost“ ist eine Spurensuche in ein Land der Gefühle, das für die Nachgeborenen immer ein großes Fragezeichen bleiben muss, gerade wenn im Westen eher eine Negierung und im Osten eher eine Verklärung vorherrscht. Schönfelder taucht mit ihren Anekdoten und ihren Liedern zusammen mit ihrem Live-Musiker Tom Gatza an Laptop, Keyboard und Gitarre in immer neue Stimmungen ein: mal punkig-rebellisch, mal dramatisch-opernhaft, mal leise-melancholisch, mal frech-ironisch. Die Künstlerin beeindruckt mit ihrer souveränen Präsenz sowohl als Musikerin wie als Performerin, bei der bei aller Ernsthaftigkeit ihrer Suche die Selbstironie nie zu kurz kommt. Ein geglückter Balanceakt.

Kaputt, Lieben, Thalia Auch mit Hilfe ihrer geteilten Erfahrungen entstand diese Performance, mit der sie versucht das Kunstsystem geschickt in Frage zu stellen. Dazu singt sie Popsongs, zieht sich die Boxhandschuhe an, setzt zarte Pflänzchen vorsichtig in frische Erde und lässt kleine Wale in großen Plexihalbschalen schwimmen. Linkes Texte sind ebenso intelligent wie unterhaltsam. Sie wirken nie belehrend, dafür entwaffnend ehrlich. So ist ein intimer Abend entstanden, der ganz von der vereinnahmenden Persönlichkeit Linkes getragen wird. (© Isabel Machado Rios )

Das große Heft, Schauspielhaus Henkel macht klar: Die Kinder der Täter und die Kinder der Opfer, sie alle waren gleichermaßen unschuldig an der Situation, in die sie geworfen wurden. Sie alle waren gleichermaßen Opfer, die die Spuren ihrer Kriegserlebnisse bis ins hohe Alter mit sich herumtragen. Die Verknüpfung der Kinderberichte aus unterschiedlichen Perspektiven verstärkte den nachhaltigen Eindruck dieses Abends, der niemanden kalt lassen kann. Zum Schluss hat die Autorin das letzte Wort: "Man wirft mir vor, traurige Bücher zu schreiben, aber es gibt Leben, die sind noch viel trauriger.“ (© Lalo Jodlbauer)

Sollen sie doch Chaos fressen, Monsun Francoise Hüsges hat zur Feier des 45-jährigen Jubiläums des Monsuntheaters und ihrer eigenen 10-jährigen Intendanz geklotzt: Sie holt viele Verbündete ihres Theaters auf die Bühne und setzt ein klares Statement für Inklusion und Vielfalt: Zusammen mit SZENE 2WEI und dem Tanz8Forever-Ensemble hat sie sich das Langgedicht von Kae Tempest „Sollen sie doch Chaos fressen“ vorgenommen. Es scheint ein überaus passender Stoff für die chaotischen Zustände unserer heutigen Zeit der multiplen Krisen zu sein, in der es mehr als einen Grund gibt, um sich schlaflos durch die Nächte zu wälzen. Der Sturm, der in Tempests Gedicht später in der Nacht durch die Stadt fegt, wird in Hüsges Inszenierung eindrucksvoll durch die Perkussionistin Lin Chen entfacht. (Foto: G2Baraniak)

Wi sünd de Ne´en, Ohnsorg Regisseurin Nora Schumacher hat den Erfolgsfilm „Wir sind die Neuen“ von Ralf Westhoff gekonnt auf die Bühne des Ohnsorgtheaters gebracht. Von München nach Hamburg versetzt und ins Plattdeutsche übertragen, thematisiert das Stück den Generationenkonflikt und hinterfragt Zielsetzungen und Enttäuschungen von Lebensvorstellungen auf völlig unangestrengte Weise. Dieser Abend unterhält aufs Beste, witzig, hintergründig, liebevoll und intelligent. (Foto: Fantitsch)

Macht, Schauspielhaus Die junge Regisseurin Patricia Camille Stövesand hat den Roman der norwegischen Autorin Heidi Furre behutsam und berührend auf die intime Bühne des Rangfoyers im Schauspielhaus gebracht. Ohne moralischen Impetus oder überdeutliche Botschaft. Ob dafür die Erläuterungen zu der MeToo-Bewegung nötig gewesen wären, die Thorje während des Stückes ganz sachlich referiert, kann man diskutieren, aber sie machen die Arbeit nicht weniger sehenswert. Denn im Zentrum steht diese Frau, die aus der eigenen Ohnmacht herausfinden und mit einem enormen Energieaufwand die Gewalt in sich verschließen will und merkt, dass diese einer eigenen Logik folgt. Das Gift der Gewalt sickert trotzdem ein. Während Livs Stimme weiter aus dem Off spricht, bewegt Reusse sich mit eckigen, verzweifelten, verkrampften und kräftigen Schritten über die Bühne, bis sie die Stoffbahnen herunterreißt und sich in den riesigen Stoffberg wirft. Erst durch den Mut, die eigene Ohnmacht einzugestehen kann neue Macht erwachsen. (Foto: Thomas Aurin)

Verwandliung, Thalia Doch genau in diesem intensiven Eintauchen liegt die Hoffnung. Die zweite Generation hat so viel Vertrauen in die Zuhörenden, dass sie sich öffnet. Sie erzählt endlich ihre Geschichten und die Zuschauer:innen hören zu. So erst kann Verständnis entstehen. Und dies ist von einer Dringlichkeit, die nicht erst deutlich wird, wenn der Bundeskanzler die Verbesserung des Stadtbildes mit Abschiebungen in Verbindung bringt. Diese Unbedingtheit ist dem Spiel der Ensemblemitglieder in jedem Moment anzumerken. Man spürt, dass sie genau wissen, wovon sie sprechen. Das ist ein neuer Ton, der hier im Thalia Theater angeschlagen wird. Wenn das Theater ein offener vielfältiger Diskursraum sein soll, dann ist er dringend geboten. (Copyright: Krafft Angerer)

Navigation

hamburgtheater - Kritiken für Hamburg seit 2000