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Dialogues des Carmélites, HfMT

Dialogues des Carmélites, HfMT

Fotos: Jörg Modrow

In einer Zeit der Umbrüche

Wo findet man Halt in einer Zeit, in der sich alles verändert? Blanche lebt in ständiger Angst und sucht nach einer Umgebung, die ihr Sicherheit bietet könnte. Sie flüchtet sich in ein Kloster, in der das Gebet den Tagesablauf so strukturiert, dass wenig Zeit für Anderes bleibt. Jedenfalls hofft sie das. Doch es kommt anders. Denn Blanche lebt in der Umbruchszeit kurz vor der Französischen Revolution. Schon kurz nach ihrem Eintritt in die Nonnengemeinschaft der Karmelitinnen werden diese gezwungen, den Orden aufzulösen.

Poulencs Oper „Dialogues des Carmélites“ besteht zur Hälfte wirklich aus dem, was im Titel steht. Die Nonnen sprechen über ihre Vorstellungen vom Glauben, von Gott, vom Leben und vom Tod. Sie streiten über den Sinn des Lebens und den Wert einer solidarischen Gemeinschaft, die bei der Suche danach Halt geben könnte. Erst in der zweiten Hälfte nach der Pause werden ihre Diskussionen dem Realitätscheck unterzogen. Die Revolutionsgarden brechen in ihr Kloster ein und verhaften alle Nonnen. Blanche gelingt zunächst die Flucht in ihr Elternhaus. Doch auch dies ist verwaist. Ihr Vater wurde als ein Mitglied der privilegierter Klasse hingerichtet und ihr Bruder ist geflohen, sie kehrt in die Nonnengemeinschaft zurück, wohl wissend, dass ihr die Hinrichtung bevorsteht.

Überaus bewegend ist die letzte Szene. Singend schreiten die Nonnen gemeinsam ihrem Tod entgegen. Ein grell herunterschießendes Licht hinter den Klosterfenstern symbolisiert das Herunterfallen der Guillotine und jedes Mal sinkt eine der Frauen zu Boden. Die wunderschöne, zu Herzen gehende Musik verstärkt den emotionalen Tiefgang dieser Geschichte in einer Zeit der Transformationen und Entscheidungen. Ohne eine gewollte Aktualisierung gelingt Regisseur Christian Poewe eine aufwühlende Inszenierung, die keinesfalls antiquiert wirkt, obwohl sie in einer ganz auf die Religion ausgerichteten Gemeinschaft spielt. Die Nonnen tragen hier rosafarbene Hosenanzüge zu einer voluminösen Kopfhaube. Ihr Versammlungsraum ist mit einer hellgrünen Nichtfarbe gestrichen, der gleichzeitig an Krankenhäuser und an Naturräume erinnert. Zunächst sind die Fenster zur Außenwelt komplett verschlossen, bevor sie von den neuen Machthabern aufgestoßen werden.

Die große Sommeroper an der Hochschule für Musik und Theater lebt von der konsequenten Umsetzung des Stoffes, sanfter Modernisierung und großer Emotionalität. Die Hauptrollen sind mit Sängerinnen besetzt, die alle ihrer eigenen Persönlichkeit vollen Ausdruck verleihen dürfen. So hat selbst in einer so strengen Gemeinschaft wie der eines Klosters die Individualität jeder Einzelnen ihren Platz und findet dennoch erst in der gemeinsamen Ausrichtung ihres Handelns ihre Stärke. Eine starke Produktion, die die Sprache der Musik nutzt, um sich für Dialog und Zusammenhalt auszusprechen.

Birgit Schmalmack vom 22.6.25

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