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Vampire's Mountain, Schauspielhaus

Vampire's Mountain, Schauspielhaus

(c) Martin Argyroglo

Wenn den Vampiren das Lachen vergeht

Da können selbst die Vampire nur noch mit den Fledermaus-Flügeln schlagen. Wenn die Gletscher aufgrund des Klimawandels abgeschmolzen sind, hilft nichts mehr. Nur noch schnell weg hier, in den Untergrund, aus dem sie gekommen sind. So ist der Abend „Vampire’s Mountain“ von Philippe Quesne im Schauspielhaus zu einem melancholischen, humorvollen und total abstrusen Abgesang auf das irdische Dasein geworden. Mit Texten von Beckett, Bayron oder Rilke inszenieren Mitglieder der Studio Viavarium mit einigen aus dem Ensemble das Sterben des Lebens, das wir bisher gekannt haben.

Diese Vampire sind natürlich den Umgang mit dem Untergang gewohnt, daher haben sie zunächst gut lachen. Zuerst machen sie sich noch mit einem Sarg und viel Nebel im schon gelichteten deutschen Wald über den Tod lustig. Sie versuchen sich gegenseitig zu erschrecken, „HuHa!“, brechen aber schon kurz danach in ein heiseres Lachen aus. Dann wechselt das Setting. Plötzlich sind sie in den Bergen. Ein eindrucksvolles Bergpanorama hat sich hinter ihnen aufgespannt. Da wird die Heidegger Hütte entdeckt, da die Rilke-Schlucht, da der Kleist-Gipfel. Alle Größen der deutschen Kultur sind hier scheinbar vertreten. Nachdem sie eine lustvoll inszenierte Bergtour mit gefährlichen Seilbalanceakten auf dem Boden unternommen haben, müssen sie zuschauen, wie die Leinwand mit dem aufgemalten Bergpanorama allmählich zu Boden sinkt. Es ist, als wenn man dem Schmelzen der Gletscher zuschauen könnte. Eine von ihnen versucht noch ein paar Botschaften auf die Berghänge zu malen: Love und Herzchen sind zu sehen.

Es öffnet sich die Bühne nach hinten in den Requisitenraum. Holzgestelle sind zu sehen. Alles nur Show, natürlich! Es dauert noch einige Zeit, bis die vorbereiteten Felsen aus der Bühnenwerkstatt nach vorne gerollt werden und die beiden Mädchen in ihren rosafarbenen Kleidchen ihren Auftritt haben: „Complain with us!“, ist ihre Botschaft. Darüber können sich die Vampire nur vor Lachen ausschütten. Dennoch bildet sich bald darauf eine Beerdigungsgesellschaft zum Trauermarsch, die ihre Kreisbahnen zu einem von Lord Bayron verfassten Abgesang auf die Welt zieht. Was würden eigentlich die Fledermäuse zu diesen Vorgängen denken? Das ist die Frage, die die Gruppe danach umtreibt. Um sich ganz in diese hinein zu fühlen, werden sie kurzerhand alle zu einer. Und so endet der Abend mit einer Fledermauschoreographie.

Vor voll besetzten Reihen verfolgen die Zuschauenden im Schauspielhaus das geheimnisvolle Treiben auf der Bühne. Es schwankt ständig zwischen unendlicher Traurigkeit und skurrilen Klamauk. Stellenweise wirkt er wie improvisiert und droht manchmal aus dem Ruder zu laufen: Einfach ein makabres Spiel von Vampiren mit riesigen spitzen Zähnen, die sich über die merkwürdigen Bedingungen auf der Erde lustig machen. Es fühlt sich zeitweise so an, als wenn ein großes Arsenal an Requisiten auf die Bühne geworfen worden wäre und der Auftrag war: Nun spielt mal schön. Quesne hat ohne Zweifel schon konsequentere Abende auf die Bühne gebracht. Wenn in der zweiten Hälfte der Anteil der vorgetragenen Texte immer größer wird, überwiegt klar der melancholische Anteil. Da vergeht selbst Vampiren das Lachen. Und dem Publikum auch.

Birgit Schmalmack vom 31.10.25

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