OST (Original Soundtrack), Lichthof
OST, Lichthof
© Mitch Stöhring
Große feelings weich wie butter in zement gegoss
Mit Buttermarken dürfen die Zuschauer:innnen im Lichthof am Schluss abstimmen. Denn sie sind Teil der „Kommission für Kultur und Kulinarik“. Jede:r bekommt am Eingang ein Brettchen mit einer Butterstulle und einem Butterpäckchen ausgehändigt. 99 Prozent Zustimmung: Die Genossen und Genossinnen im Publikum sind einhellig der Meinung: Pauline Schönfelder darf als Berufsmusikerin arbeiten.
Dabei steckt sie in einem Dilemma fest. Unter ihrem gleich lautenden Künstlerinnennamen ist sie mit ihren Liedern auf der Suche nach einem Land, das es so nicht mehr gibt, das aber dennoch zu ihrem Erbe gehört. Sie wurde 1994 geboren, ihre Eltern steckten in einer Transformation fest, für die sie keine Worte fanden. Ihre Großeltern verloren und vermissten viel, suchten Neues und fanden den Nachhauseweg nicht mehr. So heißt es in ihrem Lied Nelken: „eure bio wie ein kreuzworträtsel, doch mir fehlt der stift, leere mienen, die ihr mir vorgelebt habt.“
Schönfelder ahnt nur, was da verloren gegangen ist. Klare Auskünfte sind Fehlanzeige. Wie kann man von etwas erzählen, was man nie selbst erlebt hat? Sie versucht die Lücken mit ihren vertonten Gedichten zu füllen. Sie fantasiert sich eine DDR herbei, die es vielleicht so nie gegeben hat. Ihr Abend „Ost“ ist eine Spurensuche in ein Land der Gefühle, das für die Nachgeborenen immer ein großes Fragezeichen bleiben muss, gerade wenn im Westen eher eine Negierung und im Osten eher eine Verklärung vorherrscht. Schönfelder taucht mit ihren Anekdoten und ihren Liedern zusammen mit ihrem Live-Musiker Tom Gatza an Laptop, Keyboard und Gitarre in immer neue Stimmungen ein: mal punkig-rebellisch, mal dramatisch-opernhaft, mal leise-melancholisch, mal frech-ironisch. Die Künstlerin beeindruckt mit ihrer souveränen Präsenz sowohl als Musikerin wie als Performerin, bei der bei aller Ernsthaftigkeit ihrer Suche die Selbstironie nie zu kurz kommt. Ein geglückter Balanceakt.
Birgit Schmalmack vom 1.12.25
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