Maß für Maß, Shakespeare Company
Hinter jedem noch so derben Spaß
.....kann sich eine Erkenntnis verstecken.
Hier geht es drunter und drüber. Kein Zweifel. Was im Vorspiel auf der Bühne mit den drei Stellwänden zu sehen ist, führt das moralische Chaos und die Verwahrlosung klar vor Augen. Selbst der Herzog, der selbst nie abgeneigt ist, sich dem Laster hinzugeben, wünscht sich eine Veränderung. So bestellt er kurzerhand den Frömmsten unter seinen Untergebenen zum neuen Machthaber. Angelo soll es richten, während er auf Reisen sei. Doch er bleibt auf Beobachterposten und undercover einer Mönchsrobe im Lande. So muss er mit ansehen, wie dieser Angelo selbst für das Verbrechen schuldig wird, für das er den armen Claudio zum Tode verurteilt hat. Der hat sich mit seiner Verlobten vergnügt, jedoch den Trauschein schon in Händen zu halten. Nach dem Gesetz ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe steht, die seit neustem auch vollstreckt wird.
So stellt der Herzog dem vorgeblich Tugendhaften eine Falle und arrangiert ein Happyend, in dem alle Paare vereinigt sind.
Bei der Shakespeare Company am Insulaner sieht dieses glückliche Ende allerdings wenig strahlend aus: Nur der dem Henker entkommene Claudio hat nur kurz ein Lächeln im Gesicht. Die vereinigten Paare zeigen genau, dass nicht ihr eigener Wille, sondern der des Herzogs sie zusammengeführt hat.
So offenbart die Inszenierung von Regisseur ::::: auch im Schlussbild, worauf sie hinauswill: Machtausübung ist selten nur von guten Absichten geleitet. Selbst wenn Herrscher wie der Herzog mehr Menschlichkeit zeigen möchten, sind sie nie ganz frei Eigennutz. So wirft die Inszenierung einen durchaus aktuellen Blick auf den Machtmissbrauch, in den auch die Metoo-Debatte mit einfließt. Dennoch, dieses Theater am Insulaner ist ein Volkstheater, ganz in bester Tradition von Shakespeare. Derbe Späße gehen fast nahtlos in Gesellschaftskritik über. Klamaukige Szenen voller Slapstick und Running Gags, wechseln mit stillen Momenten, die nachdenklich stimmen. Dieses Ensemble schafft diese auch immer wieder durch mehrstimmigen Chorgesang, der das Gehörte und Gesehene nachwirken lässt. Das ist nicht nur tolles Schauspielerhandwerk des spielfreudigen Ensembles (::::::::J), sondern zeugt von künstlerischem Anspruch. Hingehen und sich von allen Aspekten unterhalten und anregen lassen. Ganz nach dem Motto: Hinter jedem noch so derben Spaß kann sich eine Erkenntnis verstecken.
Birgit Schmalmack vom 22.8.25
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