When the bleeding stops, HAU
Empowerment auf und vor der Bühne
Sie werde nicht mehr auf Dinnerparties eingeladen. Das habe einen Grund: Sie rede seit jüngstem immer nur noch über ein Thema: die Menopause. Um dieses Thema aus der Tabuzone herausholen, sei ihr jede Gelegenheit recht. Doch wie ist es dazu gekommen? Davon erzählt die isländische Tänzerin und Choreographin Lovísa Ósk Gunnarsdóttir mit großer Offenheit, Warmherzigkeit und Selbstironie. In der Short Version. Die beginnt allerdings schon vor ihrer Erinnerung. Selbst als Baby habe sie das Tanzen geliebt. Keine Tanzstunde lässt sie aus, bis auf eine, als sie mit Lungenentzündung im Bett lag. Wider Erwarten konnte sie ihre Leidenschaft zu ihrem Beruf machen. Doch mit 40 ein Bandscheibenvorfall! Sollte das tatsächlich das von allen angekündigte Ende ihrer Tanzkarriere sein und eine Zwangstransformation einleiten? Als sie wieder aufstehen durfte, erlaubte sie sich jeden Tag ein kleines Tanztraining zu einem spontan ausgewählten Youtube-Song. Und sie merkte, wie ihr depressiver Nebel sich langsam anfing zu lichten. Das Tanzen tat ihr gut.
In dieser Zeit fing sie auch an zur Menopause zu recherchieren. Könnte ihre Form der Tanztherapie nicht auch bei den Beschwerden der Wechseljahre helfen? So kam sie auf die Idee zu ihrem Projekt. Sie kontaktierte Frauen auf einem Facebook-Selbsthilfeforum namens „Menopause“ und fragte sie, ob sie sich dabei aufnehmen könnten, wenn sie zu einem selbst gewählten Song in ihrem Wohnzimmer tanzten. Sie erhielt eine riesige Resonanz.
Diese Videos zeigt sie nun in ihrer Performance „When the bleeding stops“. Dafür verschwindet sie und überlässt diesen Frauen die große Bühne. Es entfaltet sich auf der bühnenfüllenden Leinwand eine große Vielfalt. Frauen, die nur meditativ die Arme bewegen, Frauen, die voller Wut in die Luft boxen, Frauen, die vor Freude durch ihre Wohnung hüpfen. Ganz privat, ganz ohne einen Gedanken durch die Bewertung von außen. Doch es mischen auch Frauen darunter, die in ihren Tanz einen emotionalen Ausdruck legen, der auch für ein Außen bestimmt sein könnte. So stehen alle diese höchst unterschiedlichen Frauen nebeneinander auf der großen Leinwand, im typischen Handyformat werden sie sehr klug zu einem großen Bild verschnitten. Dann fährt die Leinwand wieder hoch und nach einem Black stehen elf dieser Frauen plötzlich live im Scheinwerferlicht auf der Bühne und tanzen in ihrem ganz eigenen Style ausgelassen, selbstbewusst und erkennbar empowert unter ihren Videobildern.
Sie sollten sichtbar werden. Das hatte Gunnarsdóttir sich vorgenommen und das hat sie eindeutig geschafft. Dass diese ausgelassene selbstvergewissernde Stimmung sich auf das Publikum übertrug, lag nicht nur an der mitreißenden Kraft der Frauen auf der Bühne sondern auch an Gunnarsdóttirs charmanter und sympathischer Warmherzigkeit. Zum Schluss tanzte der ganze Saal voller Euphorie mit.
Birgit Schmalmack vom 25.8.25
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