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Magec/the Desert, HAU 2

Lebensraum voller Rätsel

Nein, die Wüste ist nicht leer. Sie ist belebt von kleinen und großen Tieren. Manche sind ganz real und manche sind eher Traumwesen. Die ersten sind als Projektion auf der goldenen Scheibe, die über der Bühne schwebt, zu sehen. Die anderen schreiten darunter, ihr Gesicht unter Tiermasken verborgen, in großer Ruhe im Kreis herum. Sie scheinen ein Ritual zu vollziehen. Mit Weihrauch, den sie entzünden, und kleinen Glocken, die sie immer wieder zum Klingen bringen. So ruhig und meditativ beginnt die neue Arbeit von Radouan Mriziga “Magec / the Desert”, in der er sich mit dem Lebensraum der Wüste auseinandersetzt. Dazu greift er auf die Tradition und Mythologie der Imazighen, der indigenen Bevölkerung Nordafrikas zurück. Er gibt den Zuschauenden dabei zunächst viel Zeit zum Einfühlen in eine Vorstellungswelt, die sich nur in ganz langsamen Veränderungsprozessen vollzieht.

Die Projektionen, die währenddessen auf die goldene Scheibe projiziert werden, werfen Fragen auf. Neben Wüstenlandschaften und Wüstentiere ist auch die Auswirkung einer Atombombenexplosion zu sehen, die diesen Lebensraum gefährdet. Nicht jeder wird wissen, dass Frankreich vom 1960 bis 1966 in der algerischen Sahara mehrere Atombombentests unternahm. Zudem tauchen drei futuristisch wirkende Wesen auf, die irgendetwas miteinander zu verhandeln scheinen. Was haben sie, die wie aus einem Sience-Fiction-Film entliehen wirken, hier verloren? Das bleibt unklar.

Erst ganz allmählich werden die langsam schreitenden Bewegungen der Performer größer und schwingender. Hatten sie zuvor mit ihren Tiermasken vor dem Gesicht in einzelnen Soloszenen Bewegungen einer Antilope oder eines Wasserbüffels nachgeahmt, zeigen sie jetzt ihre Gesichter. Aus dem schwarzen Altar, auf dem zuvor Kerzen und Räucherstäbchen entzündet wurden, wird ein DJ-Pult und aus der einzigen Frau der Ritualgruppe eine DJane. Unter die traditionellen Klänge mischen sich elektronische Beats, zu denen die Performer sich zu einer Streetdance-Group formen, die sich so auch auf den Straßen Berlins treffen und ihre mit Breakdance-Elementen angereicherten tänzerischen Künste präsentieren könnte. Doch sie haben etwas mitgenommen, wenn sie den imaginären Wüstenraum weiter ergründen. Die Menschen haben immer einen tierischen Geist an ihrer Seite, der ihnen Energie geben kann.

Der Abend, endet wie er begann. Die DJane verlässt ihr Pult, meditative Gesänge erklingen und alle schreiten eine nach dem anderen in großer Ruhe von der Bühne. So wie der Lebensraum der Wüste für Uneingeweihte immer einer voller Geheimnisse bleiben wird, so zeigt sich auch dieser Abend als einer, der bewusst bedeutungsvolle Bilder verwendet, die sich nicht vollends auflösen lassen.

Birgit Schmalmack vom 26.8.25

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