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Wargames, Kampnagel

War Games, Kampnagel

Christian Martin

Nie wieder

Nie wieder, so heißt es gerne in Reden an Gedenktagen. „Nie wieder“, so steht es auch auf dem Rollrasen in der K1, aus dem hin und wieder Explosionen hochgehen. Und dennoch ist die Menschheit gefangen in einem Kreislauf der Gewalt und Gegengewalt. Warum Krieg als gesellschaftliches Muster so wirkmächtig ist, dieser Frage gehen Skart & the Masters of the Universe in ihrer neuen Arbeit War Games nach. Und zwar, wie der Name es schon verrät, auf spielerische Weise. In vielen einzelnen Bildern beleuchten sie die verschiedenen Seiten des Krieges zwischen „Reue, Vergessen, Macht und Exzess“. Dann beginnt der Kreislauf wieder von vorne.

Zu den vier, sich stetig wiederholenden Überschriften, die auf eine Grenzmauer nach dem Muster eines Trumpschen Entwurfs zu Mexiko geworfen werden, erschaffen sie bildgewaltige Performancesequenzen, die irritieren, aufrütteln, berühren oder befremden. Da erschießt ein kleines Mädchen nach einem Bombenattentat die Überlebenden, die versuchen sich zu retten, einfach in den Kopf. Da zielt ein Mann, der am Boden unter einem Hügel aus einem stetig nachtropfenden Schleim liegt, mit einem Zielfeuergewehr auf die Menschen in seiner Umgebung. Da wickelt sich eine nur mit Unterwäsche bekleidete Frau in Glaswolle ein. Da tanzen drei junge Frauen in graziösen Bewegungen schöne, unschuldig wirkende Dreierformationen, um dann stets mit vor Angst, vor Entsetzen, vor Aggression verzerrten Fratzen in einem Standbild zu enden. Da berichtet eine vergessene Fliegerbombe, wie es sich anfühlt gefunden und entschärft zu werden. Da erzählt eine Pistole von ihren Gefühlen, wenn sie für die blutende Wunde eines Menschen verantwortlich ist, und bekennt, dass es einzig um den Adrenalinschub gehe. Beeindruckend die Szene, in der lauter Wahlplakate zu Flügeln des kleinen Mädchens werden sollen. Doch sie kann sich nicht erheben, sondern, wird im Gegenteil von ihnen zu Boden gedrückt. Noch berührender ist der Moment, wenn die Tür der K1 aufgeht und eine Reihe von laufenden Plakaten hereinkommt, auf denen „Your Country wants you“ steht. Doch als Werbegrafik ist kein soldatischer Held zu sehen, sondern Leichenteile, die an einem Stacheldraht hängen. Am Schluss senken sich die Plakate und ein Chor flüstert halb beschwörend, halb zweifelnd: „Die Geschichte wiederholt sich nicht, sie wiederholt sich doch.“

Das altersgemischte Perfomancekollektiv Skart & the Masters of the Universe hat sich dieses Mal ein sehr düsteres Thema vorgenommen. Darf man das Kindern zumuten? Für das Kollektiv ist die Antwort ganz klar. Alle Themen, die real in der Welt vorhanden sind, sollten nicht ausgeklammert werden. Denn die Kinder würden ohnehin mit ihnen konfrontiert werden. Dann lieber auf eine Weise, die das Denken und die Fantasie in Gang setzt, die künstlerische Auseinandersetzung fördert und so die Verarbeitung anregen kann. Doch kann Kriegsspielen dazu beitragen? Für die mitwirkenden Kinder und Jugendlichen ist sicher für eine Aufarbeitung gesorgt, doch gilt das auch für die zuschauenden? Ohne anschließendes Sprechen über das Gesehene darf das bezweifelt werden. So sollte zu der langen Liste der Triggerwarnungen vielleicht noch hinzukommen: Kinder nur in Begleitung von sprechwilligen Erwachsenen! Alle übrigen Zuschauer:innen erlebten einen Abend, der mit stringent arrangierten Stillleben zu sorgsam ausgewählter Musik starke Bilder erschuf, die keinen kalt lassen konnten.

Birgit Schmalmack vom 14.4.25

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