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Noch wach?, Thalia Foto: Krafft Angerer

Warum Berlin?

In Berlin probiert sich die Welt aus. Hält dieser Eindruck dem Praxistest stand? Interviews mit 52 Künstler:innen

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Einsame Menschen, BE So stehen hier drei unterschiedliche Frauentypen nebeneinander, alle von heute und alle ebenso gefangen von den Umständen wie einst. Doch auch die Männer kommen nicht besser weg. Auch sie erreichen nicht das, was ihnen vorschwebt. Immer gibt es äußere Umstände, die sie am Fortkommen hindern. Obwohl sie es vielleicht selber sind. So tragen hier alle ihr eigenes Gefängnis mit sich herum. Und können sich folglich auch auf keine tiefergehenden Beziehungen einlassen, denn sie kreisen nur sich selbst. Was vielleicht in der Vogelwelt gelingen könnte, das ist den Menschen anscheinend verwehrt. Die Freiheit, von der sie träumen, gibt es nicht. Sie bleiben einsame Menschen und scheitern an der Verbindung untereinander. Regisseurin Bettina Bruinier bringt den sprachmächtigen, bissigen Text in prägnanten, schnellen Szenen auf den Punkt. Geschickt hält sie mit ihrem exzellenten Ensemble (Sina Martens, Nina Bruns, Corinna Kirchhoff, Gerrit Jansen, Oliver Kraushaar) die Balance zwischen Witz und Abgrund und die Komödie rutscht immer wieder ins Tragische ab. (© Jörg Brüggemann)

Fräulein Julie, Kammerspiele Fischer verlässt sich ganz auf die hervorragende Besetzung der beiden Rollen: Rosmair und Horwitz beherrschen den sekundenschnellen Wechsel zwischen Unterwürfigkeit und Überlegenheit, Aggressivität und Angst, Siegesgewissheit und Panik perfekt. Bevor das Machtgerangel langweilig werden könnte, ist das knapp einstündige Stück vorbei. Fischer arrangiert mit seinen beiden Schauspieler:innen das Timing so perfekt, dass der Abend bis zum Ende spannend, interessant und kurzweilig bleibt.(Foto: Daniel Devecioglu.)

Noch wach?, Thalia So ist die Inszenierung von Christoph Rüping zwar desillusionierend, dass sich nach Me Too irgendetwas verändert haben könnte, aber wahrscheinlich umso realistischer. Seine Distanzierung zum Hauptdarsteller besteht hauptsächlich darin, dass er ihn auf vier Schauspieler:innen verteilt. Doch anstatt den Finger in die Wunden zu legen, hangelt er sich mit seinem hervorragendem Cast (Nils Kahnwald, Maike Knirsch, Hans Löw, Julia Riedler, Cathérine Seifert, Oda Thormeyer) durch die Misere, getreu dem Motto der Branche, in der alles spielt: Unterhaltung ist alles. Und wenn der Content zu sehr herumdümpelt, dann eben schnell ein wenig Musik. Dazu dröhnen dann die Beats und Inez tritt mit überwältigendem Songs über Love und Time auf. So auch zum Schluss: Da regnet es von Inez noch mal Rote Rosen, doch der Song der früheren Feministinnen hat auch schon lange seinen Popularitätshöhepunkt überschritten und zeigt nur: Es hat sich immer noch zu wenig verändert.(Foto: Krafft Angerer)

Das Leben ein Traum, Thalia In seiner Inszenierung dieses andeutungsreichen und vielschichtigen Stück hat Johan Simon weniger Traumgestalten als vielmehr traurige Clowns auf die Thaliabühne gestellt. Sie stolpern beherzt und unbeholfen über die vom Leben gestellten Aufgaben, ohne zu ahnen, was der große Plan dahinter sein könnte. Sie stehen auf der schwarzen Bühne mit großen Spiegelwand und sehen immer nur sich selbst. Zusammen gehalten wird die Inszenierung von Jens Harzer, der als einziger genau zu wissen scheint, dass er nichts weiß und damit nur von Minute zu Minute einen Schritt vor den nächsten setzen kann. Während alle anderen so tun müssen, als hätten sie Ziele und eine Strategie sie zu erreichen. (Foto: Armin Smailovic)

Die Optimistinnen, Gorki Außerdem kombiniert Aydo?du den Widerstand und Kampf von Nour (Aysima Ergün), Mercedes (Yanina Cerón) und Tüley (Ceren Bozkurt) mit dem der Lieferdienst-Ausfahrer:innen von heute. Denn wieder sind es Migrant:innen, die hier aufgrund der angenommenen mangelnden Sprach- und Rechtskenntnissen bzw. fehlender Aufenthaltstitel ihrer Arbeitnehmer:innenrechte beraubt werden und sich dagegen zur Wehr setzen. Der Kampf geht also weiter. Ein interessanter, bewegender und insgesamt einfach schöner Abend. Der Applaus zum Schluss wollte kein Ende nehmen.(© Ute Langkafel MAIFOTO)

Angela, Volksbühne Der Eindruck, dass diese Geschichte also beileibe nicht nur in der Realität spielt, legt auch die Bühneninstallation nahe. Kennedy setzt ihre Darsteller:innen in eine Virtual-Reality-Umgebung, die immer wieder verschwimmt und vom Realistischen ins Magische hinübergleitet. Zuerst in einem Einzimmerapartment mit einer realistisch wirkenden Küchenzeile und einem klackernden Ventilator, verwischen später immer wieder die Konturen und wandeln sich mal in eine mit Graffiti besprühte Tunnellandschaft, mal in ein Feuermeer mit anschließendem Ascheregen, dann in eine phantastische Landschaft, die Hoffnung aussendet, und schließlich wieder zurück ins Apartment. Doch nie lässt Kennedy den Zuschauenden im Klaren darüber, auf welcher ihrer vielen Ebenen man sich gerade befindet. Die Trennung zwischen Realität und Fiktion ist nur eine gedachte Linie, sie existiert in dieser sogenannten Wirklichkeit nicht. (Foto: Julian Roeder)

Nachtgespräche mit meinem Kühlschrank, Theater das Stephan Arweiler hat seinen Königsmantel aus dem Original gegen einen Monteursanzug eingetauscht, bei dem er alles Wichtige immer am Mann hat. Er ist ein bodenständiger Theaterhandwerker und ein überaus sympathisches Stehaufmännchen des Scheiterns. Er scheitert jeden Tag aufs Neue und er beginnt jeden Tag wieder von Neuem. Er kann nicht aufhören an den Sinn seines Bühnenwerks zu glauben, denn er hat keinen anderen. Der Abend ist zu einer Liebeserklärung an das Theater, aber auch an das Leben an sich geworden. An die Möglichkeit den Glauben an sich selbst und seinen Traum nie zu verlieren, mögen die Umstände auch noch so hoffnungslos sein. Eine liebevolle Arbeit, so maßgeschneidert für das Theater das Zimmer, als wäre es nie für eine andere Bühne gedacht gewesen. (Foto: Patrick Bieber)

Die bitteren Tränen einiger ehrlicher Erb*innen, L Die ach so geliebte Tante Antonida Etcetera liegt im Sterben, so hört man. Jedenfalls denkt das ihr Neffe, der kleine General. Und so macht er sich Hoffnung auf ein baldiges Erbe. Zumal er gehört haben will, dass es ihm zur freien Verfügung stehen und er keinerlei Beschränkungen unterworfen sein werde, was damit zu tun sei. So lädt er die Zuschauenden schon jetzt einmal zu einer angemessen zelebrierten Trauerfeier. (Paula REissig)

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