Holzfällen, Kampnagel

Holzfällen, Burgtheater
Foto Tommy Hetzel
Wie im Ohrensessel
Da sitzt er in seinem Ohrensessel und suhlt sich in seiner Abscheu vor dieser Gesellschaftshölle, die sich anlässlich eines „künstlerischen Abendessen“ im Hause Auersberger versammelt hat. Erfolgreich hat er 30 Jahre den Kontakt zu dieser Gesellschaft gemieden, doch bei dem Zusammentreffen anlässlich der Beerdigung der gemeinsamen Bekannten Joana, einer erfolglosen Tänzerin, befand er sich in einem sentimentalen Zustand, in dem seine bisher sorgsam gepflegten Abwehrmechanismen versagten. So sinkt er wieder in diesen Ohrensessel, in dem er schon vor dreißig Jahren oft saß, und verschanzt sich hinter seiner Beobachterrolle.
Über zwei Stunden lang grantelt sich Darsteller Nicholas Ofczarek durch den Text von Thomas Bernhard, der aus Auszügen seines Romans „Holzfällen“ besteht. In elegischer Breite lässt er seiner Herablassung, Abscheu, Verabscheuung, Hass und Überheblichkeit in Bezug auf diese Gesellschaftshölle der Stadt Wien freien Lauf, die er vor Jahren in Richtung London verlassen hat. Der Ich –Erzähler zerpflückt genüsslich ihre Pseudo-Kultiviertheit, die reine Fassade sei. Sie halten sich für gebildet, weil sie ins Burgtheater gehen, Kunstgemälde an ihre Wände hängen und zu Salons in ihre Villen einladen. Doch am Ende muss er feststellen, dass er ein Teil von ihr geblieben ist. Diese Stadt, der er in glühendstem Hass verbunden ist, wird immer seine Stadt bleiben. Auch er ist ein Heuchler und Lügner, genau wie all die anderen dieser feinen Gesellschaft. Da hat er seine bequeme Position im Ohrensessel längst aufgegeben und muss von der Erkenntnis niedergedrückt nach Hause gehen, dass er ein Teil von ihr ist.
Wenn ein Burgtheaterstar wie Ofczarek diesen Text als Monolog gibt, sind die Bezüge der Selbstironisierung von vornherein klar gesetzt. Wenn er von der Verkommenheit des Burgtheaterbetriebes redet, den nur die Burgtheaterstars überleben würden, nimmt er die dicke, getönte Brille und damit seine Rolle ab und schaut direkt ins Publikum. Ansonsten schlüpft er mal mit dröhnender, mit fiepsender, mit leiser oder mit durchdringender Stimme in alle weiteren Rollen des Textes. Er wird zu den Gastgebern, dem völlig betrunkenen Herrn Auersberger, seiner zurechtweisenden Gattin, zur besserwisserischen Schriftstellerin und zum hofierten Burgschauspieler. Doch was wäre der Abend ohne die Begleitung, Unterstützung und Untermalung durch die Musicbanda Franui, die in einer Mischung aus Trauer-, Tanz-, Kirchen- und Volksmusik den Text kommentieren. Meist mit einem ironisierenden Unterton, der Ofczareks Interpretation verstärkt. Das fügt sich zu einem Gesamtwerk, das in seiner Aussage keine Fragen mehr offenlässt. So war die Reaktion des Hamburger Publikum in der vollgefüllten Kampnagelhalle beim Gastspiel im Rahmen des Hamburger Theaterfestivals einhellig begeistert. Zumal man sich hier in bequemer Sicherheit wiegen und belustigt die lächerlichen Verhältnisse im fernen Wiener Kunstbetrieb schmunzeln konnte. Ein ungetrübter Genuss also, den der Intendant des Festivals hier seinem distinguierten Publikum in Schmäh-freien Hamburg bescherte.
Birgit Schmalmack vom 29.05.25
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